Elektroauto Chronik eines Irrtums

Audi e-tron

A

Aktualisiert 10.8.2020

Vorbemerkung: Der Audi e-tron wurde auf der IAA 2009 präsentiert – und im September 2018 in San Francisco endgültig vorgestellt.
„Audi e-tron. Die elektrisierende Kraft. Jetzt auf der IAA. (…) 313 PS, in 4,8 Sekunden von null auf 100 km/, quattro-Antrieb – bei diesem Wagen müssen Sie auf nichts verzichten, außer auf Kraftstoff.“1
Und auf Reichweite: Im Schongang 248 Kilometer, realistischer ist ein Bruchteil davon.

Auf dem Pariser Autosalon im Oktober 2011 zeigte Audi den E-tron Coupé und Spyder : „Im Gegensatz zum E-tron Coupé (Detroit 2010) ist der Spyder kein reines E-Mobil, sondern ein Plug-in-Hybrid. Zwei E-Maschinen (88 PS/352 Nm) treiben die Vorderräder an, ein 300 PS/650 Nm starker 3,0-Liter-V6-TDI die Hinterachse. E-quattro heißt dieses Funktionsprinzip des modernen Allradantriebs, das mittelfristig die gewichtige mechanische Verbindung zwischen den Achsen überflüssig machen könnte. Rein elektrisch fährt der Spyder bei maximal 60 km/h bis zu 50 Kilometer weit.“2

Kein Leuchtturm. „Die Entwickler nannten ihn schon ein ‚Leuchtturm-Kompetenz-Aufbauprojekt‘, als noch gar nichts leuchtete. Der Vorstand zog bald den Stecker. Das Auto wurde zu teuer, und die Batterie war viel zu schlecht.“3

Audi mitten im Abgasskandal. „Audi bringt im e-tron 95 kWh brutto zwischen den Achsen unter – abzüglich zehn Prozent, um auf den real nutzbaren Energieinhalt zu kommen. Der Speicher wiegt 700 Kilogramm, ungefähr das Zehnfache eines Benzintanks. In der Fahrpraxis wird die Reichweite nicht viel größer als im BMW iX 3 sein, weil die Ingolstädter Asynchronmotoren einsetzen. Die Maschinen mit einer Leistungsspreizung von 90 kW bis 140 kW haben ein höheres Gewicht und einen etwas schlechteren Wirkungsgrad als die teurere Synchronmaschine des BMW iX 3. Sie sitzt auf der Hinterachse und soll im Serienmodell mehr als 200 kW leisten.“4

Elektrischer SUV. Technische Daten: 4,90 Meter lang, 5 Sitze, 408 PS, 2490 kg Leergewicht, Reichweite 400 km, 700 kg Batteriensatz, ab 79.900 Euro.5
„Die Breitenwirkung des Autos ist Fluch und Segen zugleich: Große, schwere Autos führen das eigentliche Ziel von Elektroautos, nämlich das nachhaltiger Mobilität, ad absurdum.“6

E-tron-Auslieferung verzögert. Audi kündigte eine verzögerte Auslieferung aufgrund Software-Änderungen an. Außerdem fordert der südkoreanische Akku-Lieferant LG Chem zehn Prozent mehr für die Batterien.7

Plattform-Baukasten. VW stellte den Audi e-tron GT im November 2018 in Los Angeles vor. „Der VW-Konzern spielt bei dem Auto die ganze Stärke in Entwicklung und Produktion aus: Mit Porsches Taycan teilt sich der e-tron GT die technische Basis, die sogenannte J-Plattform. Später soll der Wagen von einer modularen Architektur profitieren, die von Porsche, Audi, Bentley und Lamborghini genutzt wird. Sie passt für größere Limousinen, Sportwagen, SUVs und Crossover-Modelle.“8
Sozusagen die ganze Kleinwagen-Palette … Und von Null auf 100 km/h braucht der e-tron GT 3,5 Sekunden. Wer braucht das?
Der CO2-Rucksack des Akku-Pakets ist natürlich bei den großen Elektroautos entsprechend groß. Der e-tron GT hat eine 800-Volt-Technik und wird über 350 kW-Gleichstrom-Ladesäulen geladen: In weniger als 20 Minuten sollen 80 Prozent Ladung erreicht werden. Frage des Spiegel-Autors Michael Specht: „Wo aber bleibt der A2, die Ikone der Sparsamkeit, als elektrische Variante? Bereits 2011 stand eine solche Studie bei der IAA in Frankfurt – und verstaubt seitdem im Keller des Designzentrums.“8

e-tron Gran Turismo. Die elektrische Sportlimousine e-tron GT soll vor allem dem Tesla Model S Konkurrenz bieten. Beim Gewicht von über zwei Tonnen braucht der GT 3,5 Sekunden auf 100 km/h. Akkus mit 90 kWh bieten eine Reichweite von 400 Kilometer. Mit 800-Volt-Technik sollen in 20 Minuten 300 Kilometer ladbar  sein.
Schaun mer mal, was die Lebensdauer der Akkus dazu meint.
Und potent ist der GT dazu: „Anders als der e-tron SUV und der für Ende 2019 angekündigte Sportback mit etwas schnittigerer Karosserie wird der GT – wie bisher die besonders potenten RS-Modelle und der R9 – von der Tuning-Tochter Audi Sport verantwortet.“9

Flop des Jahres in spiegel.de: Audi e-tron. „Angetrieben von zwei E-Motoren wiegt das monströse SUV 2,5 Tonnen und führt den Sinn von Elektroautos – nachhaltige Mobilität! – ad absurdum. Stromverbrauch: mindestens 22,5 kWh auf 100 Kilometer, doppelt so viel wie ein Kleinwagen. Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun.“10
22,5 kWh bedeutet für den Audi e-tron bei einem Strommix von 500 Gramm CO2 pro kWh pro Kilometer 112,5 Gramm CO2. Dabei geht das Elektroauto e-tron mit 0 (NULL!) Gramm CO2 in die Flottenstatistik ein – plus der Bonus durch die Super-Credits. Ab 2020 wird ein Elektroauto durch die Super-Credits mit dem Faktor 2,0 gegengerechnet, ab 2021 mit 1,67, ab 2022 mit 1,33 und erst ab 2023 mit 1.11
Kleines Rechenbeispiel: Ein fossil betriebener Audi Q5 (Gewicht etwa 1900 kg) emittiert offiziell ungefähr 150 g CO2 pro Kilometer – nach einem äußerst fragwürdigen Messverfahren.
Ein elektrischer Audi e-tron (Gewicht laut Audi 2565 kg) braucht auf 100 Kilometer 22,5 kWh. Er emittiert real beim deutschen Strommix von ca. 500 g CO2 pro kWh: 22,5 x 500 = 11.250 Gramm CO2 auf 100 Kilometer, also 112,5 Gramm CO2 pro Kilometer. Zusammen emittieren Audi Q5 und e-tron real mindestens 262,5 Gramm CO2 pro Kilometer.
Der e-tron wird aber als Elektrofahrzeug mit 0 Gramm CO2 bewertet. Dazu kommt der Super-Credit-Faktor 2 für Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2020.
Die Rechnung zugunsten der deutschen Autoindustrie geht so: 1 Null-Emissions-Pkw Audi e-tron x Super-Credit-Faktor 2 plus 1 Audi Q5 macht drei Fahrzeuge mit insgesamt 150 Gramm CO2. Das ergibt dann für den Audi Q5 nicht 150 Gramm, sondern 50 Gramm CO2!
Und dieses Rechenkunststück wird dann auf den gesamten Flottenverbrauch des jeweiligen deutschen Autokonzerns übertragen.

Neue Angaben von Audi. „Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km*: 24,6–23,7 (NEFZ); 26,2–22,6 (WLTP); CO₂-Emission kombiniert in g/km*: 0. (…) Die Leistung von 265 kW bezieht sich auf die elektrische Peakleistung (60 Sekunden). Der vordere Elektromotor, der für ein optimales Packaging achsparallel angeordnet ist, kommt auf 125 kW Peak-Leistung bei 247 Nm Drehmoment. Die hintere, koaxial angeordnete Maschine gibt 140 kW ab bei einem Drehmoment von 314 Nm. Zweistufig übersetzte Planetenradgetriebe mit einer Gangstufe übertragen die Kräfte über Differenziale auf die Achsen.12
Die von Audi angegebenen 24 kWh auf 100 km für den e-tron entsprechen beim derzeitigen Strommix von 500g CO2 pro kWh ungefähr 120 g CO2 pro Kilometer. Durch Super-Credits kann Audi in seinen Flottenverbrauch dank der vielfachen Interventionen der deutschen Bundesregierung bei der EU einen Audi e-tron mit dem Faktor 2 und Null Gramm CO2 ansetzen.
In eine realistische Berechnung müsste natürlich noch das CO2-„Grundrauschen“ der Elektromobilität eingehen: Verluste bei der Stromerzeugung und -verteilung, der Aufwand für die neue und zusätzliche Strom-Infrastruktur: Leitungen für die Fern- und Nahversorgung, die jeweiligen technischen Verteile und Ladegeräte etc.

Kaum auf dem Markt, schon zurückgerufen.  Audis „Teslajäger“ sollte er werden, der Audi e-tron. Nun dringt Feuchtigkeit beim Laden über ein Niedervoltkabel ein und könnte zu Kurzschluss oder einem „thermischen Ereignis“ (vulgo: Brand) führen. „Rund 540 e-tron ruft Audi in den USA in die Werkstätten zurück, insgesamt sind laut ‚Bloomberg‘ rund 1650 Fahrzeuge betroffen. Ein Audi-Sprecher bestätigte, dass das Elektro-SUV auch in Deutschland in die Werkstatt muss und der Hersteller bereits mit dem Kraftfahrtbundesamt in Kontakt stehe. Die Schwachstelle sei bereits behoben.13 Im März 2019 begann die Auslieferung. Fast 7000 Exemplare wurden inzwischen weltweit ausgeliefert, davon 2300 in Deutschland: Fast alle sind vom Rückruf betroffen.14

spiegel.de testet den Audi e-tron. Die Basisversion beginnt bei 81.900 Euro; der Testwagen mit Extras kostet 105.345 Euro. Die Testfahrt geht über 442 Kilometer von Hamburg nach Gießen. Audi gibt 417 Kilometer Reichweite an. Bei 80 Prozent Akku-Ladung rät das Navi zu zwei Ladepausen mit insgesamt zwei Stunden und 30 Minuten – bei einer Fahrtzeit von 6,5 Stunden. Die Akkus haben eine Kapazität von 95 kW und wiegen 700 Kilogramm, wodurch der e-tron auf 2600 Kilogramm Gesamtgewicht kommt. Die Rekuperation (Energie-Rückgewinnung durch Bremsvorgänge) funktioniert vor allem in der Stadt, auf der Autobahn dagegen nicht. Den Verbrauch gibt Audi nach WLTP mit 22,6 bis 26,2 kWh auf 100 Kilometer an. Der spiegel.de-Test über zwei Wochen ergab 30,6 kWh. Testfahrer Christian Frahm hat diverse Probleme mit zu kurzen Ladekabeln, dem Ladestecker (muss per Notentriegelung abgezogen werden) und den Ladestationen („Ladevorgang abgebrochen“).15

SZ testet den Audi e-tron. Der „106.000-Euro-Premiumwagen“ trifft auf diverse Probleme mit der Ladeinfrastruktur. (Vgl. Laden oder Nichtladen, 20.6.2019) Die werksseitig angegebene Reichweite von 411 Kilometern lässt sich nur mit Eco-Modus in der Stadt und Verzicht auf Klimaanlage und Heizung erreichen. Auf Landstraßen „schwankt der Strom-Koloss in jeder Kurve hin und her, auf engen Straßen ohne Mittellinie tickt der Spurhalteassistent regelrecht aus.“16

Kunden kennen Akkus nicht. Weil Audi Lieferprobleme mit den Akkupacks hat, musste die Produktion zurückgefahren werden. Es gibt nun zwei Lieferanten: LG Chem liefert Pouch-Zellen aus Kobierzyce in Polen (hoher Kohlestromanteil), Samsung SDI prismatische Zellen aus Budapest. „Welche Akkus sie bekommen, können die Kunden nicht selbst bestimmen.“17

Nicht nebenbei: e-tron in Frankreich. Das wird interessant, ob Audi seinen e-tron in Frankreich auch unter diesem Namen vertreibt. Nach Langenscheidt bedeutet étron nämlich Kothaufen.

Lieferschwierigkeiten bei LG Chem. Die Produktion des Audi e-tron, der seit Herbst 2018 in Brüssel gebaut wird, musste vom 13.2. bis 18.2.2020 eingestellt werde: Es gab „Engpässe bei der Teilezulieferung“. Der Batterielieferant LG Chem meldet Produktionsprobleme. Diese betreffen auch den EQC von Mercedes und den Porsche Taycan, die ebenfalls mit Akkus von LG Chem ausgestattet werden. Audi wollte 70.000 Exemplare vom e-tron und einem Sportback-Modell im Jahr 2020 verkaufen: Nun liegen die Szenarien nur noch bei 40.000.18

Ewiger Fehlstart. „Audi probt mit seiner Strombaureihe e-tron den ewigen Fehlstart. Nach pannenreicher Findungsphase begann die Produktion 2018 in Brüssel, doch es gibt unentwegt Probleme mit Lieferanten und eigenen Unzulänglichkeiten. Im Januar wurde Kurzarbeit verordnet.“19

Krisenherd Audi. „Zuletzt sanken die Verkaufszahlen, das Elektro-Modell Audi e-tron verkauft sich bestenfalls mäßig, die Zukunftsaussichten waren schon vor der Coronakrise eher mau.“20 2019 wurden, bedingt durch Probleme mit den Akkus, nur  26.317 E-tron verkauft; 2020 soll das Doppelte verkauft werden.21

Übungsfall 1. Generation e-tron. Die Netzwerkdichte lässt für e-tron-Kunden zu wünschen übrig, dazu kommen Abrechnungsprobleme und damit die Reichweitenangst. „Die e-tron-Flotte nimmt nur langsam Fahrt auf. Getreu dem Markenmotto ist die erste Stromer-Generation hoch komplex, viel zu schwer und betriebswirtschaftlich auf Kante genäht.“22

Hoher Stromverbrauch. SZ-Bericht: Das Tesla Model 3 braucht auf der Autobahn 21,7 kWh auf 100 Kilometer. Der E-tron benötigt drei kWh mehr. Im WLTP-Test braucht der E-tron 50 zwischen 22,4 und 26,4 kWh auf 100 Kilometer. Der vergleichbare BMW iX3 soll nach WLTP zwischen 18,5 und 19,5 kWh brauchen.21 ADAC-Bericht: In der Übersicht kommt der E-tron 50 (71 kWh) nach WLTP auf 285 bis 339 Kilometer Reichweite, der 55 (95 kWh) auf 372 bis 437 Kilometer. „Beim standardisierten ADAC-Ecotest pendelte sich der Verbrauch des E-tron bei 25,8 kWh im Durchschnitt ein – mit Ladeverlusten bei 3-phasiger Ladung und 16A. Errechnete Reichweite: 365 Kilometer.“23 Angesichts des Leergewichtes von 2565 Kilogramm und der „wuchtigen SUV-Karosserie“ (ADAC) erklärt sich der hohe Verbrauch.

  1. Anzeige von Audi in SZ 16.9.2009 []
  2. Kacher, Georg, Wink mit dem Ladekabel, in SZ 4.10.2011 []
  3. Wüst, Christian, Strom-Illusionen, in Der Spiegel 34/19.8.2017 []
  4. Becker, Joachim, Nachhilfe für Maschinenbauer, in SZ 5.5.2018 []
  5. Stegmaier, Gerd, Das ist Audis erstes Elektroauto, in auto-motor-und-sport.de 11.10.2018 []
  6. Grünweg, Tom, Die Spannung steigt, in spiegel.de 18.9.2018 []
  7. Reuters, Audis E-Auto kommt später, in SZ 22.10.2018 []
  8. Specht, Michael, Angriff auf Teslas tollsten Wagen, in spiegel.de 29.11.2018 [] []
  9. Grünweg, Tom, Der Flachblitz, in spiegel.de 18.12.2018 []
  10. Frisch gekürt: Die Auto-Flops des Jahres 2018, in spiegel.de 27.12.2018 []
  11. Gomoll, Wolfgang, Fehler im System: Warum die Autoindustrie Elektroautos baut, die keiner will, in focus.de 2.12.2015 []
  12. Quelle: Audi; Hervorebung WZ []
  13. Audi ruft e-tron wegen Brandgefahr zurück, in spiegel.de 11.6.2019 []
  14. Vetter, Philipp, Audi ruft E-tron zurück – und bestätigt größte Sorge der Skeptiker, in welt.de 11.6.2019 []
  15. Frahm, Christian, Das Warten hat kein Ende, in spiegel.de 1.7.2019 []
  16. Kunkel, Christina, In der Ladewüste, in SZ 20.7.2019 []
  17. Becker, Joachim, Batterie als Blackbox, in SZ 20.7.2019 []
  18. Hecking, Mirjam, In Audis e-tron-Fabrik stehen die Bänder still, in manager-magazin.de 21.2.2020 []
  19. Wüst, Christian, Die Tesla-Jäger, in Der Spiegel 9/22.2.2020 []
  20. Eckl-Dorna, Wilfried, Neuer Audi-Chef Duesmann formiert sein Krisen-Team, in manager-magazin.de 2.4.2020 []
  21. Becker, Joachim, Wer zu spät kommt, in SZ 1.8.2020 [] []
  22. Kacher, Georg, Großbaustelle Ingolstadt in SZ 2.5.2020 []
  23. Wieler, Joachim, Rudschies, Wolfgang, Audi E-tron quattro: Test, Batterie, Reichweite, Preis, in adac.de 16.7.2020 []
Elektroauto Chronik eines Irrtums

Chronologie

Anhang