Elektroauto Chronik eines Irrtums

November 2015

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Rare Momente. Die Bundesregierung propagiert nach wie vor das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben. Am 1.1.2015 waren es nach Auskunft des KBA 18.948. „Die Hauptgründe für den schwachen Absatz: Den Stromkarossen mangelt es derzeit noch an Reichweite und einer Infrastruktur, um sie schnell aufladen zu können. Es gibt noch nicht einmal eine Einigung über eine einheitliche Norm der Stromtankstellen.“1

Methanisierung als Lösung? Eine anscheinend praktikable Lösung düe den überschüssigen Ökostrom ist die „Methanisierung“: Mittels Elektrolyse können Wasserstoff, aber auch Methanol und Methan erzeugt werden. Damit können wiederum Automotoren stromerzeugende Generatoren betrieben werden. Letzteres testet Audi seit 2013 in einer Demonstrationsanlage in Niedersachsen. Die Kosten werden nicht benannt. „Bei einem Wirkungsgrad der Anlage von Strom zu Gas von rund 54 Prozent – diese Daten nennt jedenfalls der Betreiber der Anlage auf seiner Webseite – erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass damit derzeit Gewinne zu machen sind. Zumal das Verfahren noch sehr teuer ist: Eine Kilowattstunde Energie aus fossilem Erdgas kostet derzeit rund drei Cent, mit Methan, das durch Power-to-Gas hergestellt wird, ist sie ungefähr zehnmal so teuer. Im Rahmen eines Forschungsprojekts fördert das Bundesumweltministerium die Optimierung der Anlage mit insgesamt sechs Millionen Euro.“1
Es kann hier nicht näher auf die Power-to-Gas-Technologie  eingegangen werden. Tatsächlich hat das Verfahren einen niedrigen Wirkungsgrad, hohe Kosten und zu vollmundige Versprechungen.

Merkel kündigt Subventionen an – für „ihre“ Million. Bislang hat die Bundesregierung Subventionen beim Kauf von Elektroautos verweigert. In dem Maß, wie das Ziel von einer Million bis zum Jahr 2020 in weite Ferne gerät, nähert man sich dann doch den Kaufanreizen. Bei der 3. Nationalen Konferenz Elektromobilität in Berlin äußerte Angela Merkel: „Deutschland wird um eine weitergehende Förderung nicht herumkommen.“((Mannschatz, Alex, Licht am Horizont? in SZ 12.11.2015)) Die bisherigen Kaufanreize waren nicht ausreichend. Für im Jahr 2015 zugelassene Elektroautos entfällt für zehn Jahre die Kfz-Steuer. Nun wird der Bruttolistenpreis bei Elektroautos und bei Plug-in-Hybriden reduziert, der als Berechnungsgrundlage für den geldwerten Vorteil dient: Aus diesem wird 1 Prozent private Nutzung errechnet. „Für bis zum 31. Dezember 2013 angeschaffte Autos verringert der Fiskus den eigentlich anzusetzenden Bruttolistenpreis um 500 Euro pro Kilowattstunde der Batteriekapazität, maximal um 10.000 Euro insgesamt. Dieser Betrag verringert sich für in den Folgejahren angeschaffte Autos um jährlich 50 Euro pro Kilowattstunde der Batteriekapazität. Der Höchstbetrag von 10.000 Euro senkt sich für in den Folgejahren angeschaffte Fahrzeuge um jährlich 500 Euro.“2

Gewerkschaftler für deutschen Akku. Michael Brecht, Betriebsratsvorsitzender bei Daimler, Uwe Hück in derselben Position bei Porsche und Bernd Osterloh bei VW fordern mehr Kooperation der Automobilhersteller bei der Elektromobilität. „‚Die drei ‚Muskeltiere‘ nennen sie sich selbst und lachen dabei: kräftig sind die Männer, glatzköpfig und natürlich per Du. Und sie sind fordernd, auch gegenüber ihrem Duz-Freund Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der auch gekommen ist in die Werkshalle: Deutschland müsse wieder in die Fertigung von Batteriezellen einsteigen, der Grundlage gewissermaßen von Elektroauto.“ 3 Dabei hat sich Daimler gerade daraus zurückgezogen. (Vgl.: Deutsche Batteriegeschichte) „Mittlerweile ist das Daimler-Management ernüchtert: Nur noch um die Steuerung der Batterien will man sich weiter selbst kümmern; die Zellen selbst kommen nun aus Asien, etwa von LG oder Panasonic, und nicht mehr aus Sachsen.“3

„Sauberes Elektroauto“ (1): Der Strom. „Das großspurige Werbeversprechen der kalifornischen Elektroautoschmiede Tesla lautet: ‚Keine Emissionen. Keine Kompromisse.‘ In drei Sekunden beschleunigen die rund 100.000 Dollar teuren und über zwei Tonnen schweren Elektroflitzer von null auf hundert. Und das ohne Emissionen? Es wäre wie Butter ohne Fett oder Schnaps ohne Alkohol. Der Hype ums E-Auto ist derzeit so groß, dass solch offensichtlicher Unsinn ungestraft behauptet werden darf. Und das auch von deutschen Herstellern. BMW wirbt mit der Angabe ‚CO₂-Emission 0,0 g/km‘ für seinen kleinen Stromer i3. Mercedes schiebt in der Reklame für seine elektrische B-Klasse immerhin das Wörtchen ‚lokal‘ vor das Versprechen ‚emissionsfrei mit 0 g/km‘.“4
Das geht bis heute so. Egal, ob E-Suv Audi e-tron oder Mercedes EQC: Sie wiegen weit über zwei Tonnen und produzieren offiziell: null Gramm CO2.

„Sauberes Elektroauto“ (2): Der Strom-Mix. In einer neuen US-Studie wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen den Umwelt- und Gesundheitsschäden durch Elektroautos und der Art der Stromerzeugung. „Im dicht besiedelten Kalifornien mit seinem hohen Anteil erneuerbarer Energie im Stromnetz schneiden Elektroautos deshalb deutlich besser ab als im dünn besiedelten Mittelwesten mit viel Kohlestrom. Im US-Durchschnitt sehen die Autoren das Elektroauto ebenfalls als Verlierer.“4 Beim deutschen Strommix kommen immer noch mehr als fünfzig Prozent aus den fossilen Quellen Braunkohle, Steinkohle und Erdgas.5
Auch in China ist die jeweilige Region entscheidend, ob ein Elektroauto vor allem mit schmutzigem Kohlestrom (bis zu 90 Prozent) oder mit einem höheren Anteil regenerativer Energien betrieben wird: Der Mix ergibt in jedem Fall ein schlechtes Verhältnis.
Außerdem hat auch der „saubere“ Ökostrom seine Kehrseiten, was Umwelt- und Naturvernichtung und damit auch das Artensterben betrifft: vgl. dazu für Deutschland Erneuerbare Energien.

„Sauberes Elektroauto“ (3): Der Akku. Das „saubere Elektroauto“ ist eine Illusion. Bei Elektroauto-Produktion, der Stromerzeugung und der Akkuproduktion entsteht CO2, beim Bremsen Feinstaub, und bei der Akkuproduktion kommen geopolitische Verwerfungen dazu. (Siehe Lithium, Kobalt, die Zerstörung von Naturparadiesen wie der chilenischen Atacama-Wüste für die Lithium-Gewinnung, nicht vorhandenes Recycling bei Lithium-Ionen-Akkus etc.) Und bei den ausrangierten Akkus kommt ein meist nicht organisiertes Recycling dazu. „Der Dreck entsteht bei Herstellung und Recycling des Elektroautos und seiner Batterie – und bei der Erzeugung des Ladestroms. Insgesamt bewegt sich die Umweltbelastung derzeit noch in ähnlicher Höhe wie bei Autos mit Diesel- oder Benzinmotor, etwas besser schneidet Erdgas ab. (…) Und dort, wo die meisten Akkus für Elektroautos gefertigt werden, in China, ist jede Kilowattstunde wegen des hohen Anteils alter Kohlekraftwerke besonders schmutzig – und wird es noch lange bleiben.“6

„Sauberes Elektroauto“ (4): „Super-Credits. Es ist der reine Betrug, dass jedes Elektroauto von den Behörden mit null Gramm CO2 bewertet wird. Hinrich Helms vom Ifeu-Institut: „Damit entfällt jeder Anreiz für die Hersteller, die Effizienz von Elektroautos zum Beispiel durch Gewichtseinsparungen zu erhöhen.“ Und Daniel Moser, Verkehrsexperte bei Greenpeace: „‚Elektroautos sind eine sehr teure Art der Treibhausgaseinsparung.“4 Dirk Asendorpf sieht in der Zeit ganz andere, weitaus effektivere CO2-Einsparpotentiale: „Viel sinnvoller sei die Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs. Zum Beispiel mit Hybridbussen, die sich innerstädtisch an Oberleitungen laden und dann akkubetrieben in die Vororte fahren. 10.000 derartige Busse hätten den gleichen Klimanutzen wie die eine Million Strom-Pkw, die die Bundesregierung bis 2020 mit Milliardenförderung auf die Straße bringen will. Elektro oder fossil – das Antriebskonzept ist am Ende gar nicht so wichtig. Wer die Mobilität wirklich sauberer machen will, muss das Zusammenspiel des öffentlichen und des individuellen Verkehrs verbessern und den Verbrauch jedes einzelnen Fahrzeugs senken. Ein schweres Sportcoupé ist dafür nicht geeignet – egal, ob mit Benzin- oder E-Motor.“4

„Sauberes Elektroauto“ (5): Herstellung und Betrieb. Eine Studie des Fraunhofer-Institut für Bauphysik im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ergab, dass bei der Herstellung eines Elektroautos 60 Prozent mehr CO2 anfällt im Vergleich zum fossil betriebenen Auto.7

  1. Hamm, Horst, Wie Windenergie bald Autos antreibt, in sueddeutsche.de 8.11.2015 [] []
  2. Mannschatz, Alex, Licht am Horizont? in SZ 12.11.2015 []
  3. Hägler, Max, Kooperation gescheitert, in SZ 18.11.2015 [] []
  4. Asendorpf, Dirk, Sauber? Kommt drauf an…, in Die Zeit 19.11.2015 [] [] [] []
  5. Tuil, Marie, Schöngerechnet, in SZ 23.11.2015 []
  6. Asendorpf, Dirk, Sauber? Kommt drauf an…, in Die Zeit 19.11.2015; Hervorhebung WZ []
  7. Held, Martin u. a., Schlussbericht: Bewertung der Praxistauglichkeit und Umweltperformance von Elektro-Pkw und Nutzfahrzeuge, siehe Fachliteratur). Die diversen Rohstoffe für Akkus wie Seltene Erden, Lithium, Kobalt etc. werden oft unter untragbaren Zustanden produziert (Kinderarbeit, Sklavenausbeutung in Afrika), sind für die Umwelt problematisch (Bauxitabbau zur Aluminium) oder von totalitären Staaten wie China geliefert. „Neodym zum Beispiel, ein Seltenerdmetall, das Magneten noch magnetischer macht. Diese Eigenschaft macht den Rohstoff für die Hersteller von Elektroautos unentbehrlich. Gefördert wird Neodym in China, wie etwa 90 Prozent aller Seltenen Erden. Abbau und Aufbereitung gelten als sehr umweltschädlich, weil radioaktive Abfallprodukte entstehen. “ ((Tuil, Marie, Schöngerechnet, in SZ 23.11.2015 []
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