Elektroauto Chronik eines Irrtums

Kolibri Energy

K

DBM Energy (1): Audi A2 München – Berlin? „Großer Bahnhof in Berlin: Der Bundeswirtschaftsminister feierte unlängst einen umgebauten Audi A2 als Durchbruch in der Elektromobilität. Mirko Hannemann, Geschäftsführer von DBM Energy, war mit dem viersitzigen Kompaktwagen in gut acht Stunden elektrisch von München in die Hauptstadt gefahren. Die 600-Kilometer-Strecke mit einer Batterieladung sei eine ‚Meisterleistung made in Berlin‘, erklärte Rainer Brüderle anlässlich der Zieleinfahrt. Deutschland habe damit einmal mehr bewiesen, dass es weltweiter Technologieführer sei.“ [3].
Wolfgang Lohbeck, Greenpeace-Verkehrsexperte, war dabei und schrieb mir dazu am 2.6.2018, „dass Brüderle die Lobeshymne hielt, und so tat, als ob er unter die Haube schauen wollte, um da ‚Geheimnis‘ zu lüften. Das war aber nicht möglich, denn die war verschlossen und versiegelt!“
„Mirko Hannemann will jetzt schon den nächsten Schritt gehen. Koreaner boten ihm bereits Millionen für sein Batterie-Know-how. Doch der Berliner winkte ab. Im kommenden Jahr will er mit einem Partner zusammen eine Fabrik für seine Batterien errichten.“ [2]

DBM Energy (2): Die Lithium-Metall-Polymer-Technik (LMP). Die von DBM Energy angeblich eingesetzte LMP-Technologie soll mit über 250 Wh pro Kilogramm die doppelte Energiedichte herkömmlicher Lithium-Ionen-Systeme erreichen und 2500 Ladezyklen ohne Kapazitätsverlust aushalten: Damit wäre die Lebensdauer eines Autos erreicht.  [1] „Als Entwicklungsziel gibt DBM Energy sogar stolze 500.000 Kilometer an. Angesichts solcher Werte schütteln Experten ungläubig den Kopf: ‚Wir haben uns mit der Lithium-Metall-Polymer-Technik beschäftigt. Die Lebensdauer ist dabei ein großes Problem‘, warnt Daimler-Forschungsvorstand Thomas Weber.“ [1]

Tom Debus in der FAZ: „Es war eine kleine Sensation und vor allem geniales Timing: Just, als die Bosse der deutschen Autoindustrie beim Verkehrsminister in Berlin über die elektrische Zukunft verhandelten, fuhr draußen ein Auto vor, das angeblich alle Mobilitätsprobleme lösen kann: Rein elektrisch und ohne Zwischenstopp war Mirko Hannemann mit seinem umgebauten Audi A2 von München aus gut 600 Kilometer in die Hauptstadt gestromert, um mit diesem ‚Lekker‘-Mobil die Überlegenheit der von seinem Unternehmen DMB Energy entwickelten Akkus auf Lithium-Metall-Polymer-Basis zu beweisen.“ [3] Nun bezweifeln nicht nur Autohersteller die Rekordfahrt, sondern auch die Fachpresse. Denn Hannemann nannte keine Details: „Wo die Akkus gebaut werden, wie genau sie funktionieren und wie er sich eine Serienfertigung vorstellt. Solchen Fragen weicht er gern aus. Nun meldet sich der ADAC zu Wort und wettert gegen den Kolibri: ‚Bis heute bleibt die Fahrt ein nicht erklärtes Wunder, da nachprüfbare Informationen zur Akkutechnik nicht vorliegen‘, resümiert Thomas Burkhardt, Vizepräsident für Technik beim Klub. Der Verband kritisiert wie viele Medienvertreter, dass es keine detaillierte technische Abnahme gegeben habe. Außerdem habe ein zur Beglaubigung der Rekordfahrt bestellter Notar kurzfristig abgesagt und die Fahrt selbst einen schalen Beigeschmack: Der A2 war während der Tour mehrmals für 20 bis 30 Minuten aus dem Sichtfeld mitfahrender Journalisten verschwunden. Um alle Vorwürfe zu entkräften, habe der ADAC Hannemann einen Reichweitencheck angeboten. ‚Das Berliner Unternehmen lehnt dies allerdings bis dato ab‘.’“ [3]

DBM Energy (3): 2011 abgebrannt. Die „Rekordfahrt“ Hannemanns von München nach Berlin mit 600 Kilometern fand am 26. Oktober 2010 statt. Dann verschwand Kolibri aus den Schlagzeilen – bis kurz vor Weihnachten 2010. „Vor einigen Wochen ist das Wunderauto, wie erst jetzt bekannt wurde, bei einem Feuer in einer Berliner Lagerhalle verbrannt. Zufall? Gutachter sollen nun klären, ob es die Halle war, die zuerst brannte. Oder ob das Auto zuerst in Brand geriet, vielleicht durch die Wunderbatterie. (…) Fragen stellen sich auch für Rainer Brüderles Ministerium. Zuerst förderte die Politik das Projekt mit 275.000 Euro, jetzt lässt man die Sicherheit der Batterien überprüfen. Kritiker hatten hinter der nächtlichen Deutschland-Fahrt von Anfang an eine reine PR-Aktion gewittert“ [4]. – „Derweil treibt die Autobauer eine ganz andere Sorge um: Die Akkus sind schwer, schwach und teuer. Deshalb feierte Wirtschaftsminister Brüderle im vergangenen Oktober die mehr als 600 Kilometer lange Fahrt eines E-Mobils von München nach Berlin als ‚Durchbruch‘. Das Gefährt hatte schließlich angeblich dreimal länger durchgehalten, als es für Stromer bisher üblich ist – das bestätigte auch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in einem umfangreichen Test. Die Bundesanstalt prüfte dabei allerdings den Angaben zufolge nur einzelne Zellen in der Größe einer Tafel Schokolade, nicht den gesamten Akku. Die Alltagstauglichkeit soll ab Juni weiter erprobt werden.“ [5]

Neuer Kolibri. Professor Dirk Uwe Sauer hat an der RWTH Aachen einen Lehrstuhl für elektrochemische Energiespeicher und Speichersystemtechnik „würde gerne an den Durchbruch glauben, den der 28-jährige Mirko Hannemann durch den Bau einer langstreckenfähigen Batterie für Elektroautos anscheinend erzielt hat. Als Wissenschaftler bleibt Sauer aber skeptisch: ‚Bis heute gibt es keinen unabhängigen Nachweis, der einen technischen Vorsprung sowie die Tauglichkeit der Batterie für den Serieneinsatz im Auto belegt‘.“ [6] Der Audi A2 hatte angeblich über 300 Wattstunden pro Kilogramm Akku. „Ein sensationell hoher Wert, der sich wegen des Feuers leider nicht mehr im Originalaufbau überprüfen lässt. Für den Funktionsbeweis wurde darum ein weiterer Audi A2 aufgebaut. Statt 1260 wie das Ursprungsauto wog der Neue 1340 Kilogramm. Gleichzeitig sank die Kapazität der Batterie von vorher 98,8 kWh auf nun 62,9 kWh. DBM Energy gibt das Gewicht der Batterie jetzt mit 386 Kilogramm an. Übersetzt: Die Energiedichte verminderte sich von ‚über 300‘ auf 163 Wh/kg, was respektabel, aber nicht mehr außergewöhnlich ist.“ [6]

Noch eine Chance für Kolibri in Katar. Qatar-Airways will 70 Elektrofahrzeuge des Flughafen-Vorfeldes mit den LMP-Batterien von Kolibri ausrüsten. „Es wäre der erste große Auftrag der Kolibri AG, deren technischer Leiter und größter Einzelaktionär Hannemann heute ist. Hinter Kolibri stecken Investoren vor allem aus Frankfurt, das Unternehmen soll die Batterietechnik von einst nun serienreif machen.“ [7]

DBM Energy (4): Justiz ermittelt. DBM Energy firmierte inzwischen als Kolibri Power Systems AG. Ende März 2015 teilte Kolibri-Vorstand  Grolman mit, dass Mirko Hannemann fristlos gekündigt worden war. Er soll seine Kompetenzen missbraucht und seit 2012 systematisch Geld unterschlagen haben. „Der dadurch entstandene Schaden wird auf zwei bis fünf Millionen Euro geschätzt. Dem Erfinder, der zuletzt als Geschäftsführer der Technologie-Tochtergesellschaft DBM Energy arbeitete, wurde Hausverbot erteilt. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige des Unternehmens. Kolibri steckt nun in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, wie es in einem Informationsbrief an Kunden und Geschäftspartner heißt. Der Vorstand hat ein Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Charlottenburg beantragt. (…) Und Hannemann? Für einen Kommentar war er zunächst nicht zu erreichen. Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass er mit dem Geld ein recht luxuriöses Leben geführt habe. Von Helikoptern und 1000-Euro-Übernachtungen ist die Rede. Schließlich sei ihm das alles offenbar zu Kopf gestiegen: Ende einer Weltrekordfahrt.“ [8]

Kolibri Energy heißt seit 2015 Colibri Energy und fertigt Batterien für den Flughafen-Vorfeldverkehr. [9]

[1] Becker, Joachim, Die Box, in der die Träume sind, in SZ 25.11.2010

[2] Bauchmüller, Michael, Wann gibt es ein billiges Elektroauto? in SZ 8.12.2010

[3] Debus, Tom, Ist der Kolibri eine Ente? in FAZ 6.12.2010

[4] Fromm, Thomas, Wunderauto, abgebrannt, in sueddeutsche.de 18.1.2011

[5] Gersmann, Hanna, Ein Auto ist ein Auto, ist ein Auto, in fairkehr 2/2011

[6] Schwarzer, Christoph M., Kolibri oder: Wunder dauern länger, in Die Zeit 28.4.2011

[7] Bauchmüller, Michael, Katar lädt auf, in SZ 26.5.2014

[8] Heeg, Thiemo, Ende einer Weltrekordfahrt, in faz.net 15.4.2015

[9] Knoblach, Jochen, Batterien-Bauer Colibri Energy: Die Phantomfirma ist zurück, in Berliner Zeitung 26.10.2017

Synonym verwendet:
DBM Energy, Colibri Energy
Elektroauto Chronik eines Irrtums

Chronologie

Anhang