Elektroauto Chronik eines Irrtums

Elektrische Flugtaxis

E

Aktualisiert 28.7.2020

Vorbemerkung: Die Herren in den dunklen Anzügen mit den Rollköfferchen nebst Notebook haben es eilig und stehen ungern im Stau – oder neben dem Plebs. Also erobert man gegen Geld eine neue bislang unbenutzte Verkehrsfläche – bis es auch hier eng wird.

Neues israelisches Start-up für Flugtaxis: Eviation. Eviation ist ein Start-up für fliegende Taxis, von der Logistik ähnlich den autonomen Autos. Es entwickelt ein Modell für sieben Passagiere und zwei Crew-Mitglieder. Der Akkusatz würde rund 400. 000 Dollar kosten.1

Und die Konkurrenz aus Süddeutschland. Zwei weitere andere Unternehmen sind Volocopter (mit Beteiligung von Daimler und Intel) sowie Lilium (mit Beteiligung des chinesischen Internetkonzerns Tencent und des Technologiefonds Atomico). Das Lilium-Lufttaxi mit bis zu 300 km/h und 300 Kilometer Reichweite soll bis zu fünf Personen befördern können.2

München fliegt vor. Die Deutsche Bahn kann sich vorstellen, am Hauptbahnhof eine Lande- und Startmöglichkeit für Flugtaxis einzurichten. Die Münchner Rathaus-CSU will dies beim Bau des neuen Bahnhofgebäudes eingeplant haben. [5] Die Digitalministerin Dorothee Bär (CSU) hatte sich im März 2018 für Flugtaxis ausgesprochen. Auch Manuel Pretzl, der Chef der CSU-Stadtratsfraktion, denkt an Startplätze für Flugtaxis.3

Das Flugdrohnen-Geschäft. Die Reichen und Wichtigen stehen natürlich ungern im Stau. Da versprechen die Flugdrohnen Abhilfe – und ein Geschäft. „Start-ups wie Lilium, Ehang, Kitty Hawk oder Vahana sammeln derzeit Hunderte von Millionen Dollar Wagniskapital ein. (…) Die Unternehmensberatung Porsche Consult kalkuliert den Jahresumsatz mit Lufttaxis für das Jahr 2035 bereits auf 32 Milliarden Dollar.“4

Der neue Stau: in der Luft. Stefan Levedak vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: „Fünf- bis zehntausend obere Führungskräfte, die mit extrem dichten Terminkalendern in einer 20-Millionen-Stadt im Stau stecken, suchen händeringend nach Alternativen.“4 Und so werden die elektrischen Flugdrohnen gegenseitig den Luftraum blockieren. Levedak: „Ab einer bestimmten Verkehrsdichte haben Sie ein sehr komplexes System. Wer meint, dass es da keine Ausfälle gibt, ist nicht von dieser Welt.“4

Volocopter. Alexander Zosel, der Gründer von Volocopter aus Bruchsal: „Wir können schnell mit Verbindungen zwischen Flughäfen und Innenstädten beginnen.“4 Aus der Webseite: „Erstmals in unserer Geschichte leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Gleichzeitig wollen wir alle immer mobiler leben. Dieser Trend wird die bisherigen Mobilitätsmodelle an ihre Grenzen bringen – selbst autonome Automobile können den stetig wachsenden Bedarf nach Transportangeboten nicht abfedern. Die Mobilität der Zukunft muss daher neue Wege einschlagen. Der Volocopter ist ein solcher Weg. Über eigene Hubs verbindet er wichtige Knotenpunkte wie Flughäfen oder Businesszentren mit der Innenstadt.“5 Und ganz sauber: „Elektrisch. Kein Verbrennungsmotor. Kein Benzin. Keine direkten Emissionen. Alles 100 % elektrisch.“
Volocopter wird 2019 eine Testserie seiner Lufttaxis in Singapur beginnen. Auch der Daimler-Konzern investiert inzwischen in Volocopter. Und Uber-Lufttaxis sollen in Los Angeles ab 2023 fliegen.6

Aral: Lufttaxi-Tankstelle. Das Modell einer neuen Aral-Tankstelle des Jahres 2040 hat kaum noch Zapfsäulen, aber viele Ladesäulen für Elektroautos. Auf dem Dach landen Lufttaxis.7

Testbetrieb ab 2025? Eine Studie der Unternehmensberatung Horváth & Partners prognostiziert, dass bis 2025 Flugtaxis in den Metropolen ein gängiges Verkehrsmittel werden. „Autonomes Fliegen und autonomes Fahren stünden demnach als neue Fortbewegungsart zur Verfügung. (…) Schlüsselspieler sind laut der Studie die US-Firmen Intel, Uber, Airbus (Europa; WZ) und Microsoft, Tencent aus China, aber auch die deutschen Autohersteller Audi und Daimler. Das Gemeinschaftsunternehmen von Audi mit dem Flugzeugbauer Airbus entwickelt derzeit einen autonomen elektrischen Kleinwagen, an den eine Flugeinheit mit vier Rotoren andocken kann. Daimler  wiederum ist am Start-up Volocopter beteiligt, das einen Elektro-Helikopter auf Kufen mit 18 Propellern entwickelt.“8 Zur Behebung der täglich 2000 Staus im Berufsverkehr seien die autonomen Flugtaxis von Bedeutung: „Je schlimmer die Verkehrssituation, desto eher würden die Menschen in die Luft ausweichen.“8 Im Jahr 2035 sollen gemäß der Studie die 23.000 benötigten Flugtaxis rund 15 Millionen Flugstunden unterwegs sein.

Airbus (1): City-Airbus. Fr die neue „Urban Air Mobility“ entwickelt Airbus in Europa den „City-Airbus“: 120 km/h Fluggeschwindigkeit, vier Plätze, 140 kWh Ladung.6 Der City-Airbus hat vier Doppelrotoren und etwa 50 Kilometer Reichweite. Er fliegt ohne Pilot und kann senkrecht starten und landen. Der City-Airbus konkurriert mit Boeing, das bereits seit Januar 2019 ein autonomes Flugtaxi testet. Und mit Google-Mitgründer Larry Page, der das Start-up Kittyhawk finanziert.9 Am 1.5.2019 fand der erste Testflug statt.10

Airbus (2): Vahana. Die Airbus-Technologietochter A3 entwickelt in Kalifornien den „Vahana“. Aus Wikipedia: „Der von Airbus SV finanzierte, Vahana (Sanskrit: „Zugtier, Wagen, Fahrzeug“) genannte Wandelflugzeugentwurf wurde 2016 begonnen. Er wird bei A³ („A-cubed“), dem erweiterten Projekt- und Partnerschafts-Außenposten von Airbus im Silicon Valley entwickelt. Airbus gibt bekannt, dass sie ’sich vorstellen, dass Vahana von Pendlern im Alltag als kostenvergleichbarer Ersatz für Nahverkehrsmittel wie Autos oder Züge genutzt wird.‘ 2017 flogen in Santa Clara Kleinmodelle, um das Vahana-Konzept zu erproben. Der Prototyp wurde im Juni 2017 erstmals öffentlich auf der Pariser Luftfahrtschau präsentiert. Beim Erstflug am 31. Januar 2018 in Pendleton (Oregon), startete Vahana selbständig und erreichte innerhalb von 53 Sekunden 5 Meter Flughöhe. Bis August 2018 wurden mehr als 25 Flüge im Schwebeflug absolviert und auch der Übergang in den Vorwärtsflug getestet. Airbus plant, bis 2020 einen Demonstrator zu entwickeln, der in Produktion gehen kann.“

Münchner CSU will Flugtaxis. Die Münchner CSU forderte nun auch Flugtaxis am Pasinger Bahnhof, nachdem sie vorher die Deutsche Bahn aufgefordert hatte, bemannte Flugdrohnen am Hauptbahnhof einzuplanen. CSU-Bundestagsabgeordneter Stefan Pilsinger: „Es ist wichtig, dass Pasing den Anschluss an die Zukunft nicht verpasst.“11
Ja wenn das so ist…

Elektrische Flugtaxis umweltschädlich. Eine Studie der Universität Michigan zeigt, dass die Flugtaxis bei Strecken unter 35 Kilometern mehr Treibhausgase verursachen als fossil betriebene Autos, vor allem, wenn sie nur mit einem Passagier besetzt sind. (Zur Studie hier) Im Februar 2018 ergab eine Studie der Unternehmensberatung Horvath, dass schon 2025 Elektro-Lufttaxis ein gängiges Verkehrsmittel werden und ihre Zahl bis 2050 auf drei Millionen steigen wird.12

Luftraum wird noch enger. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) kontrolliert mit ihren Fluglotsen ab einer Höhe von 700 bis 800 Meter. Darunter kann frei beflogen werden, allerdings müssen die Flugobjekte erkannt werden bzw. benötigen einen Transponder. Bei autonom fliegenden Lufttaxis muss als letzte Instanz ein menschlicher Operator bereit stehen, um im Notfall eingreifen zu können.13

Lilium-Taxi mit Erstflug. Das fünfsitzige Lufttaxi startete auf dem Flugplatz Oberpfaffenhofen den Erstflug. Der 1,5 Tonnen schwere Prototyp mit 36 Elektromotoren soll ab 2025 im kommerziellen Alltagsbetrieb fliegen. Er soll 300 km/h bewältigen und kann senkrecht starten und landen. Zunächst fliegt Lilium Jet mit einem Piloten, später soll auch autonom fliegen.14 Der Akkusatz hat eine Leistung von über einem MW. Die Absicht ist das „emissionsfreie Fliegen“. (Flottau, Jens, 40 Sekunden in der Luft, in SZ 17.5.2019))

City-Airbus. Airbus hat am 1.5.2019 in Donauwörth seinen elektrischen City-Airbus fliegen lassen. Er fliegt mit 120 km/h etwa 50 Kilometer weit. Die Konkurrenz Velocopter aus Karlsruhe hat seit 2016 eine deutsche Verkehrszulassung für sein zweisitziges elektrisches Flugtaxi und absolviert seit 2017 in Dubai Testflüge.14

Volocopter vor Testflügen. Das deutsche Start-up Volocopter installiert zurzeit einen Miniflughafen in Singapur: Dort sollen Flugtaxis Testflüge durchführen. Getestet werden das Boarding, der Batteriewechsel und die Batterieladung etc. „Am Anfang sollen bis zu 50 Personen pro Haltestelle und Stunde befördert werden, später etwa 120.“10

BMW fliegt mit. BMW hat zusammen mit der US-Firma Alaka’i Technologies ein Flugtaxi mit Wasserstoffantrieb entwickelt. Der Skai hat fünf Sitzplätze und sechs Elektromotoren mit je 100 kW. Die Flugdauer soll bis zu vier Stunden sein. Die Flugdrohne wird größtenteils aus Karbonverbundwerkstoffen gebaut. Die Tanks nehmen 200 bis 400 Liter Wasserstoff auf und ermöglichen eine  Reichweite von 644 Kilometern. Die Betankung dauert zehn Minuten. Bei den Testflügen ist ein Pilot ab Bord: Im Endzustand soll Skai vollautonom fliegen.15

Silent Air Taxi von Schuh. Der Entwickler von StreetScooter und e.Go, der Aachener Prof. Günther Schuh von der RWTH, hat ein fünfsitziges elektrisches Flugtaxi namens Silent Air Taxi vorgestellt. Es soll mit 300 km/h etwa 1000 Kilometer weit fliegen können: Die Beförderung soll nicht mehr als ein Erste-Klasse-Bahnticket kosten. 2022 soll der Jungfernflug erfolgen, 2024 die Musterzulassung. „Kritiker warnen jedoch vor allzu großen Hoffnungen in die neue Technik,. Der Lufttransport verschlinge große Mengen an Energie, zudem verlagere sich der Stau von der Straße womöglich nur in die Luft oder auf Flugplätze.“16

Start-up E.Sat. Das Aachener Start-up verweist auf 350 deutsche Regionalflugplätze: 80 Prozent der Bevölkerung hat einen Flugplatz in weniger als 25 Kilometer Entfernung. „Mit ihrem Silent Air Taxi will das E.Sat-team von 2024 an mehr als 95 Prozent aller deutschen Flughäfen und Flugplätze ansteuern.“17 Das Silent Air Taxi mit Aluminium-Leichtbau hat einen zehn Meter breiten Boxwing-Flügel und einen Hybrid-Antriebsstrang; eine Variante mit Brennstoffzelle ist geplant. Es soll um die 500.000 Euro kosten, Der e.Go-Pionier Günther Schuh ist bei E.Sat Finanzvorstand.

Wasserstoff für Flugtaxis? Nicht nur Silent Air Taxi plant einen Brennstoffzellen-Antrieb mit Wasserstoff. Die DLR projektiert das Brennstoffzellen-Flugzeug HY4. Bosch will in die Serienproduktion von Brennstoffzellen einsteigen.17 Und das US-Unternehmen Alaka’i präsentierte bereits die erste Passagierdrohne mit Brennstoffzellen-Antrieb in Zusammenarbeit mit BMW (siehe auch unter 4.6.2019). Der Skai hat fünf Sitzplätze und sechs Elektromotoren mit je 100 kW. Die Tanks nehmen 200 bis 400 Liter Wasserstoff auf und ermöglichen eine  Reichweite von 644 Kilometern.15

Volvocopter. Volocopter hat sich nach 35 Millionen Euro in den ersten Runden noch einmal 50 Millionen Euro beschafft – auch von der chinesischen Geely-Gruppe, der Volvo gehört. Geely und Volocopter wollen ein Joint Venture gründen. Auch Daimler hat in Volocopter investiert. Bis 2022 sollen Lufttaxis für den chinesischen Markt verkehren.18

Volocopter: Vier-Minuten-Flug in Stuttgart. Am 14.9.2019 flog ein Volocopter etwas über vier Minuten – ohne Passagiere – in Stuttgart. Daimler hatte für  Tausende Zuschauer extra eine Event-Arena aufgebaut.19 Der Flug gehört zum Forschungsprojekt der Landesregierung von Baden-Württemberg und der Stuttgarter Hochschule für Technik. Mercedes-Chef Ola Källenius äußerte dazu: „Ich bin überzeugt, dass wir auf diese Weise das Stauproblem in den Städten auf spezifischen Strecken lösen können.“ Und Ministerpräsident Winfried Kretschmann hierzu: „Natürlich wäre das auch für mich ein optimales Gerät.“20
Was ist an Kretschmann eigentlich noch grün? Bzw. was ist an den Grünen eigentlich noch grün? Die Elektro-Flugtaxis belegen einen bislang ungenutzten neuen Verkehrsraum, schaffen zusätzlichen Verkehr – vornehmlich für Eliten -, und verbrauchen zusätzlichen Strom. War da nicht was mit Verkehrs- oder Energiewende?

Vertikal startende Flugtaxis. Der Lilium-Jet und andere Modelle haben kippbare Flügel. Kleine horizontal startende E-Flugtaxis benötigen eine Start- und Landebahn, aber auch weniger Energie. Modelle mit vier Rotoren oder Rotorpaaren (Quadrotoren) sollen in jeweils zwei Minuten starten und landen können. Pro Kilogramm Eigengewicht kann die Batterie 400 Wattstunden speichern. Ein Einsitzer ohne Passagier würde 450 Kilogramm wiegen mit einer Reichweite von 90 Kilometer: Dann würde die Batterie 124 Kilogramm wiegen. Senkrecht startende Flugtaxis benötigen zehnmal mehr Schub als herkömmlich waagrecht startende. Waagrecht startende E-Lufttaxis wie der eGenius der Uni Stuttgart wiegen leer 700 kg und schaffen mit einer 280 kg schweren Batterie 400 Kilometer Reichweite. Bei einer Energieberechnung emittiert ein Mercedes-Diesel-Taxi zwischen dem Berliner Flughafen Tegel und dem Bundestag 2,64 Kilogramm CO2, der eGenius beim derzeitigen Strommix 1,6 kg CO2 und ein Quadrokopter 5,2 kg CO2.21

Erste Tests oder was auf uns zukommen könnte. Auf dem Flugplatz Oberpfaffenhofen bei München finden die geheim gehaltenen Flugtests mit Lilium statt. 5 Sitze, 36 elektrische Propeller, 300 Kilometer Reichweite und 300 km/h. Boeing, Airbus, EmbraerX und Bell entwickeln ebenfalls elektrische Lufttaxis. Volocopter hat bislang mehr als 100 Millionen US-Dollar Wagniskapital bekommen. Probleme sind u. a. das Erreichen des Flughafen-Terminals inmitten von Starts und Landungen, die Koordinierung durch die Deutsche Flugsicherung, die Zertifizierung der Prototypen. Die Unternehmensberatung Roland Berger rechnet mit 75 Lufttaxi-Projekten und 3000 Lufttaxis im Jahr 2025, 100.000 dann in 2050.22 – Eine  Studie der Citygroup rechnet  für das Jahr 2030 mit jährlich 20.000 verkauften elektrischen Flugtaxis.23

Porsche fliegt mit. Porsche unterzeichnete im Oktober 2019 eine Absichtserklärung zum Bau von Elektro-Fluggeräten mit dem US-Flugzeugbauer Boeing.24 Der Erstflug ist für 2020 geplant. Porsche und Boeing zielen auf eine reiche Zielgruppe: „Das Premium-Segment, also etwa die Privat-Drohne für Gutbetuchte oder die ‚Mobilitätsdienstleistung‘ für Geschäftsleute mit gehobenen Ansprüchen‘.“23

Lilium will ab 2025 fliegen. Am 4.5.2019 startete der Prototyp des Lilium Flugtaxis zum ersten Mal, seither über hundert weitere Male – unbemannt und mit Bodensteuerung. Bis  2025 soll das Zertifizierungsverfahren abgeschlossen sein. Das von Daniel Wiegand, Sebastian Born, Patrick Nathen und Matthias Meiner gegründete Start-up hat über 100 Millionen Dollar von internationalen Investoren bekommen.25

Deutsche Bahn fliegt mit. Die Technik-Vorständin der DB, Sabina Jeschke, sieht eine Verbindung zwischen der Fahrt mit dem ICE und der Anbindung an Flugtaxis. „Um Zug und Drohnen zu vernetzen, habe man sich am britischen Unternehmen Skysports beteiligt, heißt es von der deutschen Bahn. Skysports betreibt Landeplätze für Drohnen und organisiert Lufttransporte.“26

„Flugtaxi“ von Airbus fliegt – einige Minuten. Im März 2019 war das Airbus-Flugtaxi mit viel Pomp und einem begeisterten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgestellt worden, Es war ein reiner „Demonstrator“ ohne Akkus. Nun durfte im Airbus-Helikopterwerk in Donauwörth das „Flugtaxi“ fliegen: in zwei Meter Höhe und ein paar Minuten Abheben und Umhergleiten.27

Lilium-Versprechungen nicht zu halten (1). Das bayerische Start-up will ein Lufttaxi mit fünf Plätzen bauen, das eine Reichweite von 300 Kilometer hat und 300 km/h fliegt. Die kommerzielle Nutzung als Flugtaxi soll ab 2025 möglich sein. Ein anonymer Experte zweifelte nun die technischen Daten an. Lilium gab bislang nichts über die Akkumasse bekannt. Der Experte geht von 500 Kilogramm aus: Das wäre bei heutiger maximaler Energiedichte von 240 Wh/kg etwa 110 kWh. Das wären dann für die 36 Mantelpropeller-Triebwerke eine Schwebflugdauer von 67,7 Sekunden. Bei 60 Sekunden für Start und Landung verbliebeeine Reiseflugzeit von 3 m 42 sec: oder 18 km. Bei den von Lilium angegebenen maximalen Wirkungsgraden im Schweb- und Reiseflug wären höchstens 29 Minuten Flugzeit und eine Reichweite von 145 km möglich. Die angegeben Daten für Reichweite und Flugdauer wären nicht realisierbar. Lilium dementierte und verwies auf Akkus mit 300 Wh/kg, wobei der Experte für die Lilium-Daten eine Energiedichte von 400 bis 650 Wh/kg nötig hält.28 – Ein Lilium-Sprecher versuchte, angesichts der Nervosität der Risikokapitalgeber die Vorwürfe zu entkräften: Man habe nicht behauptet, heute schon 300 Kilometer Reichweite zu erzielen, sondern erst 2025. Außerdem seien die Berechnungen bei der „Schwebe-Effizienz“ falsch.29

Lilium-Versprechungen nicht zu halten (2). Im Aerokurier stützten zwei Experten die Thesen des anonymen Experten. Andreas Bardenhagen von der TU Berlin bestätigte die Berechnungen des anonymen Experten für Vertikalflug bei Start und Landungen. Lilium gibt 80 bis 85 Prozent Wirkungsgrad als „Industriestandard für Turbo-Fan-Stufen“ an. Die 20 Prozent des anonymen Experten für den Triebwerkswirkungsgrad im Standschub/Schweben sind nach Bardenhagen „eher konservativ“ angesetzt, ein Wert von 80 bis 85 Prozent aber „physikalisch kaum möglich“. Mirko Hornung von der TU München berechnete, dass selbst bei einem nicht realisierbaren Wert von 80 Prozent die von Lilium genannte Flugzeit und Reichweite nicht zu erreichen sei.30 Lilium hat bisher weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit gearbeitet: bis auf einen drei Minuten langen Stummfilm vom Oktober 2019 über einen unbemannten Testflug. Prof. Volker Gollnick von der TU München hält das Lilium-Fluggerät mit 36 Kleinantrieben „kaum für realistisch Flugfähig und steuerbar“ – und für extrem laut.30

Noch mehr Kapital für Lilium. 2015 wurde die Lilium GmbH von Daniel Wiegand und drei Kollegen gegründet. Risikokapitalgeber investierten über 100 Millionen Euro; demnächst soll noch einmal 400 bis 500 Millionen Dollar Investorengeld gesammelt werden. Derzeit arbeiten über 350 Beschäftigte in Weßling.29

Schenker beteiligt sich bei Volocopter. Der Logistikkonzern Schenker ist eine Tochterfirma der Deutschen Bahn und beteiligt sich – neben weiteren Investoren – am Start-up Volocopter aus Bruchsal. Insgesamt hat Volocopter 122 Millionen Euro eingesammelt. Der Vorstandsvorsitzende von DB Schenker, wird wie der frühere Daimler-Chef Dieter Zetsche im Beirat von Volocopter sitzen.31

Lilium-Flugtaxi abgebrannt. Am 27.2.2020 brannte eines von zwei Lilium-Flugtaxi-Exemplaren im Sonderflughafen Oberpfaffenhofen und wurde schwer beschädigt. Eine Brandursache ear zunächst nicht bekannt. Bei Lilium arbeiten derzeit 350 Mitarbeiter; bis 2025 sollen es 800 werden.32

Flugtaxis für Hauptbahnhöfe. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bringt nun noch das „Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft“ nach München und lobt sich: „Wir wollen die Mobilität und die Digitalisierung zusammenbringen.“33 500 Millionen Euro sollen investiert werden, um alternative Kraftstoffe, Stadtentwicklung und Mobilitätskonzepte zu untersuchen. Und Scheuer präsentiert die nächste ganz wichtige Idee: „Also zum Beispiel die Frage, welche Hauptbahnhöfe ertüchtigt werden müssen, damit auch Drohnen und Flugtaxis landen können.“33

Lilium-Taxi mit Kohlefaser. Trotz des oben beschriebenen Brandunfalls sollen die ersten Lilium-Flugtaxis 2025 eingesetzt werden. Inzwischen ist der Finanzinvestor Baillie Gifford mit 30 Millionen Dollar eingestiegen: Damit hat Lilium insgesamt 375 Millionen Dollar gesammelt. Nun hat Lilium mit dem japanischen Chemikonzern Toray einen Liefervertrag über Kohleverbundstoffe unterzeichnet. Er umfasst die Lieferung für mehrere Hundert Lilium-Lufttaxis. Rumpf, Tragflächen und Klappen sollen aus Kohlefaser gefertigt werden. Nach wie vor behauptet Lilium, die angekündigten 300 Kilometer Reichweite zu schaffen. Dies bezweifeln Experten angesichts des über 1,5 Tonnen schweren Fluggerätes.34

  1. Martin-Jung, Helmut, Flugtaxi, bitte! in SZ 3.7.2018 []
  2. DPA, Bahn würde Landeplatz für Flugtaxis prüfen, in SZ 5.7.2018 []
  3. Schubert, Andreas, Der weite Weg in die Luft, in SZ 6.7.2018 []
  4. Asendorpf, Dirk, Der Traum vom Lufttaxi, in Die Zeit 25.10.2018 [] [] [] []
  5. https://www.volocopter.com/de/ []
  6. Balser, Markus, Flottau, Jens, Kommt ein Taxi geflogen, in SZ 9.3.2019 [] []
  7. Müller, Benedikt, Und oben parkt das Lufttaxi, in SZ 29.11.2019 []
  8. Flugtaxis könnten ab 2025 den Testbetrieb in Deutschland aufnehmen, in spiegel.de 12.2.2019 [] []
  9. Airbus testet elektrischen Viersitzer, in spiegel.de 11.3.2019 []
  10. Ebersdobler, Julian, Ein Taxi zum Abheben, in SZ 24.5.2019 [] []
  11. Czeguhn, Jutta, Vision vom City Airport Pasing, in SZ 4.4.2019 []
  12. Kieselbach, Janne, Flugtaxis in der Stadt sind umweltschädlicher als Autos, in spiegel.de 10.4.2019 []
  13. Völklein, Marco, Lufttaxis unterm Radar, in SZ 20.4.2019 []
  14. Deutsches Elektro-Flugtaxi schafft Erstflug, in spiegel.de 16.5.2019 [] []
  15. Start-up entwickelt erstes Wasserstoff-Flugtaxi, in spiegel.de 4.6.2019 [] []
  16. Aachener Elektroauto-Pionier stellt Flugtaxi vor, in spiegel.de 11.6.2019 []
  17. Becker, Joachim, Vernünftig fliegen? in SZ 29.6.2019 [] []
  18. Reuters, Geld für Volocopter von Geely, in SZ 10.9.2019 []
  19. Mayr, Stefan, Vier Minuten über Stuttgart, in SZ 16.9.2019 []
  20. Flugtaxi-Versuch in Stuttgart geglückt, in spiegel.de 14.9.2019 []
  21. Boeing, Nils, Die Physik des Flugtaxis, in Die Zeit 19.9.2019 []
  22. Peitz, Dirk, Unter den Wolken, in Die Zeit 26.9.2019 []
  23. Mayr, Stefan, Porsche mit Flügeln und ohne Räder, in SZ 11.10.2019 [] []
  24. Porsche und Boeing wollen Elektro-Fluggeräte entwickeln, in spiegel.de 10.10.2019 []
  25. Becker, Astrid, Dem Flugtaxi ein Stück näher, in SZ 23.10.2019 []
  26. DPA, Ab in die Luft, in SZ 13.12.2019 []
  27. Osel, Johann, Abgehoben, in SZ 17.1.2020 []
  28. Experten zweifeln am „Lilium Jet“, in spiegel.de 18.1.2020 []
  29. Evers, Marco,Seidler, Christoph, Lufttaxi-Start-up weiter in Erklärungsnot, in spiegel.de 22.1.2020 [] []
  30. Evers, Marco, Seidler, Christoph, Lufttaxi-Start-up weiter in Erklärungsnot, in spiegel.de 22.1.2020 [] []
  31. Bahn-Tochter Schenker steigt bei Volocopter ein, in spiegel.de 21.2.2020 []
  32. Koopmann, Christoph, Flugtaxi abgebrannt, in SZ 29.2.2020 []
  33. Für 500 Millionen Euro: Scheuer plant Mobilitätszentrum in München, in spiegel.de 7.3.2020 [] []
  34. Flottau, Jens, Stoff für Flugtaxis, in SZ 14.7.2020 []
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