Elektroauto Chronik eines Irrtums

Mai 2013

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„Liebe Angela“. So begann ein Brief des VDA-Präsident Matthias Wissmann an die Bundeskanzlerin. Thomas Fromm interviewte ihn in der SZ. Wissmann zu „Super-Credits“: „Ab 2020 dürfen nach den Plänen der EU-Kommission die in der EU neu zugelassenen Pkws im Schnitt nur noch auf einen Wert von 95 Gramm CO2/Kilometer kommen. Wir brauchen stärkere Impulse, um diese Autos durchzusetzen und vom Öl wegzukommen. In China werden emissionsfreie Elektroautos mit dem Faktor 5 auf die Gesamtflotte der Hersteller angerechnet. In Europa hingegen sollen wir von 2020 an nur höchstens Faktor 1,3 oder 1,5 anrechnen dürfen. Das ist viel zu wenig. (…) Wenn die Chinesen eine fünffache Anrechnung vorgeben, sollten wir in Europa – wie in den USA – mindestens eine Dreifachanrechnung haben.“1
Thomas Fromm fragte Wissmann dann: „Ihre Kritiker sagen, dass die Autokonzerne damit vor allem den Absatz ihrer großen Benziner- und Diesel-Fahrzeuge stimulieren – denn die können dann wunderbar weitergebaut und deren Abgas-Emissionen bequem mit den abgasfreien Elektroautos verrechnet werden.“1
Wissmann ging nicht darauf ein: „Gerade im oberen Fahrzeugsegment haben wir die größten CO2-Minderungen erreicht. Wollen wir denn die Automobilkunden wirklich auf ein kleines europäisches Einheitsauto heruntertrimmen?“1

Elektroauto-Gipfel der Bundesregierung. 2010 gab es den ersten Gipfel der Bundesregierung zur Elektromobilität. Eine Million Elektroautos bis 2020, lautete die Devise. „Heute sind es gerade mal 8500. ‚Die Nische in der Nische‘, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. (…) Es war vielleicht kein gutes Omen, dass ausgerechnet kurz vor der Eröffnung der Berliner Konferenz einer der Pioniere der neuen Elektromobilität schlapp gemacht hat: Das israelische Unternehmen Better Place, 2007 vom US-Israeli Shai Agassi gegründet, hatte am Wochenende Insolvenz angemeldet.“2
Weitere Probleme wären: eine Vereinheitlichung der Ladestecker, die Besteuerung elektrischer Dienstwagen, die Kennzeichnung von Elektroautos auf dem Nummernschild, etc.

MerkelsSuper-Credits“ (1): „Super-Credits“ sind ein Rechentrick, der bis heute (2019) Gültigkeit hat: Das ist ein Mehrfachfaktor, mit dem Elektroautos, die fälschlich als emissionsfrei gewertet werden, in die Berechnung des CO2-Flottenverbrauchs eingehen. Damit soll es den deutschen Autokonzernen ermöglicht werden, die CO2-Grenzwerte der EU einzuhalten. „Für Bundeskanzlerin Merkel ist klar: ‚Super-Credits kommen Super-Bedeutung zu‘.“2

MerkelsSuper-Credits“ (2): „Was Merkel sich wünscht, war klar zu hören: Super-Credits für die Autoindustrie. Sie möchte diese Bonusmöglichkeit von der EU-Kommission, diese soll diese einzuführen. Dieser Bonus würde heißen, dass Elektroautos in der Flottenstatistik der Autoindustrie mehrfach gezählt werden dürfen und dadurch die Statistik verbessern, das wäre eine indirekte Subvention. Die Industrie könnte sich damit umweltfreundliche Autos mehrfach auf die jeweilige CO2-Bilanz anrechnen lassen – und damit die schmutzigeren Autos ausgleichen.“3

MerkelsSuper-Credits“ (3): Auf der „Konferenz zur Elektromobilität“ äußerte Merkel sich dezidiert zu den „Super-Credits“: „Sie forderte von der EU-Kommission, diese Boni für Autohersteller einzuführen. (…) Merkel sagte: ‚Super-Credits haben eine Super-Bedeutung.‘ Die Regierung werde der Industrie ein ‚verlässlicher Partner‘ bleiben, der Rahmenbedingungen für den Ausbau der Industrie setzen werde.“4
So wie die Merkel-Regierung während des gesamten Diesel-Skandals auf Seiten der deutschen Autoindustrie stand.

Umweltverbände: „Super-Credits“ sind ein Trick. Für die Umweltverbände WWF, Bund und Greenpeace sind die „Super-Credits“ nur ein Trick, damit die Autokonzerne weiter ihre schweren SUVs und Limousinen produzieren können. Die Verbände haben einen offenen Brief an Angela Merkel geschrieben: „Diese sogenannten Super- Credits erzeugen lediglich auf dem Papier eine sauberere Flotte, real wird der CO2-Ausstoß jedoch nicht reduziert.“ Der VCD schrieb dazu: „Super-Credits sind ein perfider Trick, um die tatsächlichen CO2-Bilanzen der Hersteller schön zu rechnen.“3

Elektro-Dämmerung. Thomas Fromm in einem Kommentar in der SZ: „Vom Elektroauto träumt zurzeit übrigens niemand, und wenn, dann sind es Albträume: die Angst vor leeren Batterien und dem Liegenbleiben irgendwo draußen vor der Stadt. Die Angst, das Auto könnte irgendwann in Flammen aufgehen wie ein alter, überhitzter Elektroofen. Die Angst vor zu hohen Preisen. Und die Angst, mit der neuen Technologie könnte es schon wieder zu Ende gehen, bevor es überhaupt richtig angefangen hat.“5

  1. Fromm, Thomas, „Wir müssen uns zur Wehr setzen“, in SZ 25.5.2013 [] [] []
  2. Bauchmüller, Michael, Fromm, Thomas, Auf der Kriechspur, in SZ 28.5.2013 [] []
  3. Elektromobilität: Zwischen Zweifel und großer Hoffnung, in www.oekonews.at 29.5.2013 [] []
  4. Merkels Geschenk für die Autoindustrie, in SZ 27.5.2018 []
  5. Fromm, Thomas, Keine Subventionen, bitte! in SZ 27.5.2013 []
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