Elektroauto Chronik eines Irrtums

BMW Mini E

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Aktualisiert 23.3.2020

Mini E in den USA. 2008 bot BMW in den USA erste Praxistests für 500 elektrifizierte Mini E an. Bedingung war eine abschließbare Garage: Dort installierte BMW eine Wallbox, die den Mini E in zweieinhalb Stunden auflädt; mit der normalen Steckdose dauert es zehn Stunden. Die Leasingrate betrug 850 Dollar im Monat. Der inoffizielle Schätzpreis eines Mini E lag bei 250.000 Euro. Ein Grund für die BMW-Aktion mit dem Mini E: „So vergibt Kalifornien an Autohersteller Punkte in Gold, Silber und Bronze. Die BMW-Gruppe bekommt für jeden verleasten Elektro-Mini zehn Goldpunkte für null Emissionen. So jedenfalls ist es im Jahr 2009. Schnelles Handeln lohnt sich. Käme das Auto erst 2012, gäbe es nur drei Goldpunkte für jeden Mini E.“1

Schrumpf-Mini. Der Mini E ist geschrumpft: Aus dem Viersitzer wurde ein Zweisitzer ohne Kofferraum. Sein Motor hat 204 PS und fährt mit 5088 Lithium-Ionen-Zellen 240 Kilometer weit – theoretisch. Der BMW-Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer verkündete im November 2008 stolz: „Kein einziges Gramm Kohlendioxid.”2 Kommentar dazu in der SZ: „Zumindest solange es nicht mit Kohlestrom unterwegs ist.“2

Garagen-Strom. Die BMW-Starkstrom-Box sorgte für Überraschungen. „Vor Ort mussten die amerikanischen Techniker allerdings feststellen, dass in einer ganzen Reihe von amerikanischen Garagen die Stromversorgung für die Ladestation nicht ausreichte und verstärkt werden musste.“3

BMW startet in den USA einen Versuch mit 500 Elektro-Minis, die mit einer Batterieladung über 200 Kilometer weit kommen sollen. Die Akkus nehmen den gesamten Kofferraum einschließlich der hinteren Sitzreihe ein und erwiesen sich zudem beim Aufladen als unerwartet durstig. So gierig sogen sie den Strom, dass die Leitungen vielerorts nicht standhielten.“4

Warum fördert die Autoindustrie die Elektroautos? Die deutschen Hersteller müssen bis 2015 den geforderten CO2-Durchschnitt von 130 Gramm pro Kilometer erreichen – und ab 20290 die von der EU-Kommission geforderten 95 g/km CO2. „Mit den heute üblichen Fahrzeug- und Antriebskonzepten ist eine solche Senkung des Neuwagenverbrauchs von 5,5 auf vier Liter Benzin (oder 4,9 auf 3,6 Liter Diesel) allein nicht zu schaffen. Eine Branche steht unter Strom: Gehört die Zukunft – wenigstens teilweise – den lokal emissionsfreien Elektromotoren?“5
Die Autoindustrie wird später sogar einen „Überfaktor“ („Super-Credits“) für jedes Elektroauto durchsetzen – um damit ihre lukrativen Spritschlucker trotz der EU-Grenzwerte weiter verkaufen können.

Kritische Stimmen zum Mini E. Johannes Liebl, bei BMW zuständig für Energiespar-Strategien: „Die Batteriereichweite unseres Versuchsfahrzeuges Mini E liegt bei maximal 250 Kilometern. Und wenn Scheibenwischer, Heizung und Licht genutzt werden, sinkt sie deutlich ab. Unter diesen Umständen würde man von München nach Berlin zirka 14 Stunden brauchen, denn das Elektrofahrzeug müsste dreimal elektrisch aufgetankt werden. Ein Mini Diesel schafft die Strecke ohne Tankstopp in weniger als sechs Stunden. (…) Momentan kosten die Lithium-Ionen-Batterien 1000 Euro pro Kilowattstunde. Unser Mini E hat 35 Kilowattstunden Batterien an Bord.“6

Und von Greenpeace: „‘Die Feldversuche der Autokonzerne sind nur Pseudo-Klimaschutzprogramme, um ihr Image aufzupolieren‘, sagt Marc Specowius, Verkehrsexperte bei Greenpeace. Dafür spreche schon die Kooperation mit Vattenfall und RWE. Beide verstromen im großen Stil die klimaunfreundliche Braunkohle. Greenpeace hatte nachgerechnet, wie viel CO2 auch der Elektro-Mini ausstößt, sofern er mit dem Strommix von Vattenfall fährt. Ergebnis: 133 Gramm Kohlendioxid je Kilometer, also immer noch mehr als der Mini One mit Verbrennungsmotor.“2

Test Mini EL. Der SZ-Journalist Christopher Schrader bekam für vier Wochen ein Exemplar des wertvollen BMW Mini EL. 860 Kilometer mit 250 kWh Strom im Münchner Stadtverkehr [7]: Das macht rund 29 kWh auf 100 Kilometer. Nach UBA-Angaben entstanden bei einer kWh im Jahr 2009 rund 600 g CO2: Damit liegt der Mini EL bei einem Kilometer bei 174 g CO2. Bzw. noch mehr an kalten Tagen: „Von Volltanken zu Volltanken gerechnet verbrauchte der Mini an kalten Tagen Mitte Oktober 34 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. (…) Die Differenz macht die Heizung. Beim Verbrennungsmotor bekommt man Wärme geschenkt, das Elektroauto muss sie aus der Batterie erzeugen. Dafür verbraucht der Mini-E fast so viel Energie wie für die Fahrt im gleichmäßigen Stadttempo. (…) Beide ermittelten Zahlen, 22 und 34, liegen weit über den Angaben von BMW. Womöglich hätte ich den Verbrauch mit Ehrgeiz und Erfahrung noch drücken können, aber die offiziellen 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer erscheinen im Alltag unerreichbar.“7
Damit kann jeder fossil betriebene Mini locker mithalten. Aber ist der Mini E ein „Auto der Zukunft“ – oder doch nicht?

Lade-Zeiten.  „Doch auch ein Auto aus der Zukunft muss die Niederungen der Gegenwart bewältigen. Und das heißt: laden, laden, laden. Man tankt stets viel länger als man fährt. Insgesamt 16 Mal hing der Elektro-Mini während der vier Wochen an einer Steckdose. Seine Batterie fasst 35 Kilowattstunden, mit Drehstrom zu 380 Volt dauert es fünf Stunden, sie komplett zu füllen. An der 220-Volt-Steckdose steht der Wagen zwölf Stunden.“7

Und die Reichweite? „Die Reichweite ist überdies kein fixer Wert. BMW gibt eine Strecke von 250 Kilometer pro Batterieladung an, die der Elektro-Mini aber höchstens auf dem Prüfstand erreicht. Amerikanische Fahrer kämen im Mittel auf 160 Kilometer, heißt es auf Nachfrage. Das habe ich mit dem Mini-E kaum jemals geschafft. Nach 105 Kilometer bei Sonnenschein um den Starnberger See stand die Batterieanzeige auf 37 Prozent, das ergibt eine Reichweite von 167 Kilometer. Aber an kalten Herbstmorgen sank der Füllstand so schnell, dass der Wagen kaum 100 Kilometer geschafft hätte.“7

BMW Mini E: Erkenntnisse. Etwa 100 Fahrer aus der Münchner Gegend fuhren mit 15 Mini E  und dem Umland legten mit 15 rein elektrisch angetriebenen MINI E über 150.000 Kilometer mit Strom aus Wasserkraft des Projektpartner Eon, der das Ladeverhalten der Nutzer untersuchte: „So schlossen die Nutzer ihre Mini E zumeist in ihrer heimischen Garage und an ihrem Arbeitsplatz an das Stromnetz an. Also dort, wo die Autos ohnehin länger stehen. Erst an dritter Stelle nutzten die Testfahrer die öffentlichen Eon-Stromtankstellen.“ (Mini E: 150.000 Strom-Kilometer, in abendzeitung.de 18.8.2010))

BMW Mini aus China. Die ersten Mini E kommen ab 2019 aus dem Werk Oxford mit Batterien und Motoren aus Dingolfing und Landshut. Die zweite Generation des Mini E soll in China mit dem Joint-Venture-Partner Great Wall entwickelt und gebaut werden. „Der nun  mit Sitz in der Nähe von Peking ist sehr erfolgreich mit SUVs namens Haval, jedoch hat die Firma noch kein Elektroauto im Angebot. Alle Autohersteller in China müssen jedoch von 2019 an einen Anteil ihrer Flotte elektrifizieren. Gelingt das nicht, müssen die Hersteller Kreditpunkte einkaufen. Das spielt auch für den BMW-Konzern eine Rolle, der im vergangenen Jahr knapp 600. 000 Wagen in China verkaufte. Noch sind die meisten Autos nur mit Benzinmotoren ausgestattet.“8

Neuer Mini E 2019. Der erste Mini E von 2008 war der Vorläufer und Testwagen für den späteren BMW i3, der 2013 auf den Markt kam. Nun fließen die Erfahrungen mit dem i3 in die Konstruktion des neuen Mini E ein, der Ende 2019 ausgeliefert wird. Die Akkus werden um die 33 kWh Speicherkapazität haben und einer Reichweite zwischen 200 bis 250 Kilometer ermöglichen. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 150 km/h begrenzt. Es gibt zwei Rekuperationsstufen. Die Perspektive: Demnächst wird es einen Mini geben, der komplett neu als Elektroauto geplant ist – mit neuem Partner und neuem Produktionsort: „Denn der zweite Batterie-Mini kommt nicht mehr aus Britannien, sondern wird im Joint-Venture mit Great Wall in China entwickelt und dort auch gebaut.“9BMW baut mit Great Wall drei Mini-Varianten: MiniMini, Mini Dreitürer und Mini SAV. Die Systemführerschaft liegt bei Great Wall in Baoding.10

Neuer alter Mini E. BMW präsentierte im Juli 2019 den neuen Mini E in Rotterdam. Es ist kein neues Elektroauto wie der i3, sondern „ein Auto, dessen bestehende Architektur so gut es eben geht an die Anforderungen der E-Mobilität angepasst wurde“.11 Der Mini E ist batteriebedingt um 18 mm höher. die 32,6-kW-Batterie liefert eine Reichweite von 2354 bis 270 Kilometer. Mit Schnellladung kann man in 35 Minuten auf 80 Prozent Ladung kommen. Die Preisgestaltung beginnt bei 32.500 Euro und kann bei über 40.000 Euro enden.11 Den Verbrauch eines Mini Cooper E gibt BMW mit 13,2 bis 15,0 kWh an: Bei 500 g CO2 pro kWh wären dies 66 g CO2 bis 90 g CO2 pro Kilometer.12

Mini Cooper SE auf der IAA 2019. Mit 184 PS und 33 kWh Kapazität; Vmax 150 km/h, Reichweite 235 bis 270 Kilometer, ab 32.500 Euro.13

E-Mini aus China. In Zhangjiang in China baut BMW mit seinem Partner Great Wall Motor für 650 Millionen Euro ein neues Werk, in dem ab 2022 jährlich 160.000 E-Mini gebaut werden sollen. BMW hält fünfzig Prozent am Joint Venture namens „Spotlight Automotive Limited“.14

Mini Cooper SE: Test in spiegel.de. Er hat 184 PS (135 kW) mit einem Akkusatz von 32,6 kWh, hat eine (offizielle) Reichweite von 242 km, verbraucht zwischen 14,8 und 16,8 kWh auf 100 km, wiegt 1365 kg und kostet ab 32.500 Euro. Geladen werden kann mit bis zu 11 kW an der Wallbox (Wechselstrom) oder mit bis zu 50 kW an einer Schnellladesäule (Gleichstrom). Tester Michael Specht würde sich auch heute noch für dem BMW i3 entscheiden: Seiner hat inzwischen mehr als 70.000 Kilometer hinter sich, die Batterie mehr als 1000 Ladezyklen. Inzwischen hat BMW beim i3 die Reichweite verdoppelt (auf 330 bis 359 km). Für Specht ist beim E-Mini die Funktionalität schlechter, der Kofferraum zu klein; es gibt nur einen Platz auf der Rückbank.15

  1. Kroher, Thomas, Fahren unter Strom, in ADAC Motorwelt 11/2008 []
  2. Bauchmüller, Michael, Kuntz, Michael, Ein Land unter Strom, in SZ 26.11.2008 [] [] []
  3. Kuntz, Michael, Der verspätete Großversuch, in SZ 26.2.2009 []
  4. Wüst, Christian, Fiebern nach Strom, in Der Spiegel 10/2.3.2009 []
  5. Becker, Joachim, Aus der Krise an die Dose, in sueddeutsche.de 17.5.2010 []
  6. Becker, Joachim, München – Berlin in 14 Stunden, in SZ 26.11.2008 []
  7. Schrader. Christopher, Direkte Verbindung von Wille und Weg, in SZ 2.11.2009 [] [] []
  8. Hägler, Max, Der Mini wird chinesisch, in SZ 24.2.2018 []
  9. Grünweg, Tom, E wie endlich, in spiegel.de 6.3.2019 []
  10. Kacher, Georg, Zukunft süßsauer, in SZ 2.3.2019 []
  11. Fahrenholz, Peter, Liftstyle für die Nische, in SZ 13.7.2019 [] []
  12. BMW-Anzeige SZ 10.7.2019; vgl. auch Kacher, Georg, E-Power für die Stadt, in SZ 27.7.2019 []
  13. Die Neuheiten der IAA 2019: Fette SUVs und süße Kleine, in spiegel.de 6.9.2019 []
  14. BMW und Great Wall bauen Werk für E-Mini, in spiegel.de 29.11.2019 []
  15. Specht, Michael, Mini Cooper SE: Endlich bringt BMW den Briten als Stromer – aber überzeugt er auch? in spiegrel.de 21.3.2020 []
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