Elektroauto Chronik eines Irrtums

August 2019

A

Aktualisiert 12.12.2019

Elektro-Scooter: Paris verlangt 35 Euro auf dem Trottoir. Die Pariser Stadtverwaltung informierte über das Strafgeld von 35 Euro, wenn die E-Scooter auf Gehwegen abgestellt werden. Paris will 2500 neue Parkzonen ausweisen.1

Dreckiger deutscher Kohlestrom dumpt niederländische Gaskraftwerke weg. Im Juni 2019 übertrafen zum ersten Mal seit fünf Jahren die deutschen Strom-Importe die -Exporte. „Über Jahre hat Deutschland erhebliche Mengen Strom vor allem in die Niederlande exportiert. Hintergrund ist, dass Strom aus Braun- und Steinkohle so billig war, dass er Strom aus niederländischen Gaskraftwerken verdrängte.“2
Vgl. auch Innogy

Marion Tiemann, Greenpeace Deutschland: „Auch ein E-SUV ist kein Öko-Auto.“3

Aus der fossilen SUV-Welt – Tweet @Mercedes-Benz: „Wem dieser Sommer noch nicht warm genug war, dann heizt der Mercedes AMG GLA 45 4MATIC noch mehr ein mit dieser heißen, roten Lackierung.“4 Der Tweet erschien am 1.8.2019. Daimler entschuldigte sich offiziell am 2.8.2019.
Trotzdem: So denkt der wahre Daimler!
Dazu Winfried Hermann, Verkehrsminister Baden-Württemberg: „Heißt AMG wirklich Auto-Monster-Großkotz? Wer braucht diese Autos?“4

BMW und Great Wall: doch kein Joint Venture. Im Sommer 2018 unterzeichneten – im Kanzleramt! – BMW und der chinesische Konzern Great Wall Pläne für ein Joint Venture namens Spotlight Automotive Ltd., um elektrische Kleinwagen zu bauen. Aktuell scheinen die Pläne vor dem Aus zu stehen.5

ADAC testet Verbrauch. Der ADAC testete elf Elektroautos bezüglich des Stromverbrauchs. Auch beim Elektroauto gilt: Größere und schwerere Fahrzeuge haben einen höheren Verbrauch. Hinzuzurechnen sind die Ladeverluste bis zur Vollladung: „Wichtig: Beim Stromverbrauch ist nicht nur entscheidend, wie effizient der Elektromotor mit der Energie umgeht. Denn beim ‚Tanken‘ fallen auch Ladeverluste an, das heißt man verbraucht mehr Energie als letztlich in der Batterie ankommt. Bei einem Benziner wäre das etwa so, als würde man beim Tanken ein paar Liter verschütten. Bezahlen muss man sie dennoch. Deshalb rechnen wir die Ladeverluste mit ein.“6 Diese liegen im Bereich von etwa zehn Prozent. So hat z. B. der Tesla Model X eine Batteriekapazität von 100 kWh, benötigt aber zur Vollladung 108,3 kWh.

Der Bundesverkehrsminister: ein nichtlernfähiges System. Andreas Scheuer (CSU) wollte zuerst die Gehwege für Elektro-Scooter freigeben, dann musste er zurückrollern. Nun will Scheuer Busspuren für E-Scooter freigeben: Bleibt abzuwarten, wann er auch hier zurückrollert.7

Carsharing nicht umweltfreundlich. Berlin wurde geflutet mit über 5000 Carsharing-Fahrzeugen von BMW (DriveNow), Daimler (Car2go) und nun WeShare (VW). (BMW und Daimler fusionierten inzwischen zu ShareNow.) VW hat ab Juni 2019 1500 e-Golf in Berlin im Einsatz, 2020 sollen 500 e-up! und erste Modelle der ID.3Reihe.8
Carsharing geht zunächst zu Lasten des Taxigewerbes – und dann zu Lasten des ÖPNV, weil die Fahrzeuge im Nahbereich stehen und die Vermietung zu Dumpingpreisen angeboten wird. Aus einem Beitrag von www.taxi-times.com: „Privatautos werden die Carsharing-Fahrzeuge sicher nicht ersetzen, vielmehr sorgen sie für einen Umstieg vom ÖPNV, dem Taxi oder dem Fahrrad auf – das Auto.“9

Grüne Kohle für den Taycan. Porsche wollte zur Finanzierung seines Elektro-Sportwagen Taycan einen „grünen Schuldschein“ im Green Finance-Markt von 300 Millionen Euro machen: Aufgrund der großen Nachfrage wurden es eine Milliarde Euro. Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke: „Wir beobachten, dass immer mehr Investoren ihr Geld nachhaltig anlegen wollen.“10 Begleitet haben die Ausgabe die Landesbank Baden-Württemberg, die Bayern LB und die niederländische ING. Der „grüne“ Taycan braucht drei Sekunden von null auf 100 km/h und kann mit bis zu 350 kW an Schnellladesäulen geladen werden.11

Aral-Studie: Trends beim Autokauf 2019. Fazit im Hinblick auf das Elektroauto: „Elektroautos verzeichnen bei der konkreten Kaufabsicht nur ein kleines Plus, und auch die generelle Akzeptanz hat sich kaum verändert. (S. 5) Für ein Elektroauto als nächstes Fahrzeug votieren 7 Prozent der Befragten. (S. 15) Die Akzeptanz für Elektromobilität liegt unverändert bei 55 Prozent: bei Männern 60 Prozent, bei Frauen 49 Prozent. Der durchschnittliche Kaufpreis wird auf 29.820 Euro geschätzt. (S. 20) Die erwünschte Mindestreichweite wird mit 531 Kilometer angegeben. Bei der Ladedauer wurden folgende Zeiten angegeben: 7 Prozent bis zu 5 Minuten, 19 Prozent bis zu 10 Minuten, 30 Prozent bis zu 15 Minuten, 31 Prozent bis zu einer Stunde, 8 Prozent über eine Stunde. (S. 21). 39 Prozent wären bereit, einen Mehrpreis zu bezahlen, 49 Prozent lehnen dies ab. 3 Prozent akzeptieren einen Mehrpreis unter 1000 Euro, 12 Prozent zwischen 1000 und 1500 Euro, 13 Prozent 1500 bis 2000 Euro, 12 Prozent 2500 bis 3000 Euro, 4 Prozent 3000 bis 4000 Euro, 24 Prozent 4000 bis 5000 Euro, 3 Prozent über 5000 Euro. (S. 22) Der Anstieg der Elektroautos war vom 1.1.2018 mit 53.861 auf 1.1.2019 mit 83.175 beträchtlich. (S. 29) Er lag aber am 1.1.2019 im Vergleich zur Anzahl der gesamten Pkw-Bestand (47.095.784) nur bei 0,17 Prozent.
Die Ergebnisse zum autonomen Fahren siehe unter: Autonomes Fahren

Lithium-Ionen-Akkus brennen im Müll. Peter Kurth, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), verwies auf immer häufigere Brände durch Lithium-Ionen-Akkus im Hausmüll oder im Gelben Sack: „Es vergeht keine Woche, in der es nicht irgendwo in Deutschland in Entsorgungsfahrzeugen, Betriebshöfen oder Sortieranlagen brennt, weil Lithium-Batterien nicht richtig entsorgt wurden.“12

Unfall mit Elektro-SUV: Baum brennt. Ein betrunkener  Fahrer eines E-SUVs kam im Landkreis Unterallgäu nahe Türkheim von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Der komplette Unterboden mit dem über 100 Grad heißen Lithium-Ionen-Akku wurde aus dem Auto gerissen und setzte einen Baum in Brand. Die Feuerwehr versuchte mehrmals, den Akku zu löschen, der sich nach wenigen Minuten immer wieder entzündete. Deshalb wurde vom Bauhof ein Container angefordert, in den der Akku gelegt und dann geflutet wurde. Die Entsorgung erledigte der Autohersteller. Der Sachschaden beträgt 110.000 Euro.13

DUH beklagt zu wenige elektrische Fahrzeuge. Jürgen Resch, der Geschäftsführer der durch ihre Dieselklagen in deutschen Städten bekannt gewordenen DUH, äußerte, dass es nur wenige rein elektrische Fahrzeuge auf dem deutschen Markt gäbe und forderte von der Bundesregierung, die Hersteller zu einer „Radikalkur“ zu zwingen. (DPA, Umwelthilfe kontra Autobosse, in SZ 21.8.2019))

Tesla-Fabrik nach Niedersachsen? Emden und das Emsland sind Standort-Kandidaten. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hatte schon im September 2018 Elon Musk angeschrieben und die Standortvorteile Niedersachsens angepriesen.14
Vermutlich wird Tesla und Musk das Standort-Spiel spielen, das er bei seinen Gigafactorys spielte: die Konkurrenten ausspielen und größtmögliche Subventionen herausholen.

Teslas Solar City: Dächer brennen. Tesla hatte 2016 Solar City gekauft: Die Firma stellt Solarpanels zur Stromerzeugung her. Der US-Einzelhandelskonzern Walmart hat auf mehr als 240 Dächern seiner Filialen Kollektoren von Solar City montieren lassen, um bis 2020 auf einen Anteil von 35 Prozent regenerativer Energie zu kommen. Nachdem sieben Dächer brannten, wurden im November 2018 alle Tesla-Anlagen abgeschaltet. Inspektoren entdeckten mangelhafte Verbindungen, lose Kabel und anderen Pfusch. Nun verklagte Walmart Tesla auf Entfernung der Anlagen und 8,2 Millionen Dollar Strafe.15 – Kurz darauf lenkte Walmart ein: Die stillgelegten Solar City-Anlagen können wieder in Betrieb genommen werden, sofern ihr sicherer Betrieb gewährleistet ist.16

VW will Beteiligung an Tesla. VW-Chef Herbert Diess möchte sich an Tesla beteiligen, weil er die Batterie- und Software-Kompetenz des Konzerns schätzt. Gleichzeitig muss Tesla einen Sparkurs fahren.17

Genehmigt Brüssel den Innogy-Deal? Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte schon die Fusion der Zugsparten von Siemens und Alsthom untersagt. Nun scheut sie wohl einen erneuten Ärger mit Deutschland und will – trotz Widerstand von Stadtwerken und Ökostrom-Anbietern wie Lichtblick -, vor der Umbildung der EU-Kommission die Geschäftszusammenlegungen von E.on und RWE genehmigen. „Für Stadtwerke und Wettbewerber wie den Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick wäre ein solcher Ausgang ein herber Rückschlag. Sie hatten vom ersten Tag an gegen den Zusammenschluss protestiert.“18E.on soll die RWE-Tochter Innogy mit deren Stromnetzen und dem Vertrieb übernehmen. RWE soll sich im Gegenzug alle erneuerbaren Energien von E.on einverleiben. Überdies soll RWE eine knapp 17-prozentige Beteiligung an dem neuen Energieriesen E.on erhalten.“19 E.on soll zudem mit der EU-Kommission vereinbart haben, dass ein E.on-Geschäftsbereich mit 275.000 Sonderkunden von Heizenergie abgegeben werden soll. „Außerdem müssten das Essener Unternehmen Ladestationen für Elektroautos abstoßen. Konkret geht es um mehr als 30 Stationen auf Raststätten von Tank und Rast entlang der Autobahnen.“19

  1. E-Scooter dürfen nicht mehr auf Gehwegen parken, in spiegel.de 1.8.2019 []
  2. Reuters, Deutschland importiert Strom, in SZ 31.7.2019 []
  3. Kunkel, Christina, Strom aufwärts, in SZ 1.8.2019 []
  4. Mayr, Stefan, Starkes Stück, in SZ 3.8.2019 [] []
  5. Hägler, Max, Kurz vor dem Scheitern, in SZ 5.8.2019 []
  6. ADAC, Aktuelle Elektroautos im Test: So hoch ist der Stromverbrauch, München 8.8.2019 []
  7. Scheuer will Busspuren für E-Scooter öffnen, in spiegel.de 15.8.2019 []
  8. Becker, Joachim, Falsche Versprechen in SZ 10.8.2019 []
  9. Günnewig, Simon, Volkswagen startet in Berlin mit WeShare ein weiteres Carsharing-Projekt, in www.taxitimes.com 27.6.2019 []
  10. Mayr, Stefan, Grüne Milliarde für Porsche, in SZ 13.8.2019. Zum Problem des Begriffs Nachhaltigkeit siehe in meinem Kritischen Olympischen Lexikon: Nachhaltigkeit []
  11. Porsche leiht sich über eine Milliarde Euro, in www.manager-magazin 12.8.2019 []
  12. DPA, Brände durch Batterien, in SZ 20.8.2019 []
  13. Rizer, Jeremy, Türkheim: Elektroauto prallt gegen Baum und brennt, in www.kurierverlag.de 19.8.2019; Unfall mit E-Auto stellt Retter vor Probleme, inj www.augsburger-allgemeine.de 19.8.2019; DPA, E-Auto-Akku entzündet Baum, in SZ 20.8.2019 []
  14. Niedersachsen hofft auf Tesla-Fabrik, in spiegel.de 22.8.2019 []
  15. Die Hütte brennt, in SZ 22.8.2019 []
  16. Alter Streit, neue Liebe, in SZ 24.8.2019 []
  17. SZ, Weiter auf Elektrokurs, in SZ 23.8.2019 []
  18. Stromgigant von E.on und RWE steht vor Genehmigung, in spiegel.de 30.8.2019 []
  19. Dohmen, Frank, Später Triumph, in Der Spiegel 36/31.8.2019 [] []
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