Elektroauto Chronik eines Irrtums

August 2017

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Reichweite verursacht CO2. Im Mai 2017 erschien die Studie des Schwedischen Umweltforschungsinstituts (IVL): „ Die Experten errechneten, dass es bereits bei der Produktion einer Lithium-Ionen-Batterie zu CO2-Emissionen von 150 bis 200 Kilogramm kommen könne – wohlgemerkt: pro Kilowattstunde (kWh) Batteriekapazität. (…) Umgerechnet auf die Batteriekapazitäten momentan erhältlicher Elektrofahrzeuge ergeben sich auf den ersten Blick erschreckend hohe Werte, die eine weitere Analyse der Problematik erzwingen. So führt die Produktion der Akkus für ein Tesla Model S mit einer Batteriekapazität von ~ 86 kWh nach den Berechnungen der Experten zu einem CO2-Ausstoß von rund 17 Tonnen. (…) Grob und auf der Basis von Mittelwerten zusammengefasst ergibt sich ein Bild, das vor allem für Tesla schlecht ausfällt: Mit einem handelsüblichen europäischen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor kann ein typischer Verbraucher demnach ganze 8 Jahre fahren, bevor das Auto die Umwelt so stark belastet wie die Akku-Produktion für ein Tesla Model S. (…) Jeder dieser Akkus muss produziert werden und verursacht dabei CO2. Dementsprechend ergibt sich eine erste überraschende Schlussfolgerung. Elektroautos machen momentan vor allem dann Sinn, wenn sie wie der Nissan Leaf, der BMW i3, der e-Golf o. ä. Fahrzeuge einen kleinen Akku haben. Bei der Produktion dieser Fahrzeuge und der ‚wenigen‘ eingebauten Akkus fällt in der Summe aller Produktionsschritte weniger CO2 an. Im Umkehrschluss machen Autos, in denen Hunderte Kilogramm schwere Akku-Packs durch die Gegend gefahren werden, momentan weitaus weniger Sinn.“1
Vgl. auch: CO2-Rucksack

E-Auto gegen Fossile (1). Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat angesichts des Diesel-Skandals eine verbindliche Elektroauto-Quote für Europa gefordert, um damit die Elektromobilität zu beschleunigen. Schulz stellte einen Fünf-Punkte-Plan zur Zukunft des Automobilstandortes Deutschland vor und kündigte klare Vorgaben für die Autoindustrie und konsequente Kontrollen der Emissionswerte und mehr Druck an. In der Realität sah es aber anders aus. „Von diesem Druck war beim Diesel-Gipfel Anfang August nur wenig zu spüren gewesen. Die Autoindustrie konnte sich mit ihrem Plan durchsetzen, Diesel-Pkw lediglich mit einen Softwareupdate nachzurüsten. Das möchte Schulz jetzt ändern. Der SPD-Kanzlerkandidat fordert deshalb einen zweiten Diesel-Gipfel im Herbst. (…) Von der Industrie verlangt der Schulz-Plan Investitionen in eine eigene Batterie- und Zellproduktion in Deutschland, um von ausländischen Herstellern unabhängig zu werden. ‚Die deutsche Autoindustrie muss beim Thema Elektro-Autos deutlich besser werden‘ sagte Schulz. Der US-Hersteller Tesla sei hierzulande ‚viel zu lange belächelt‘ worden, diese ‚Hochnäsigkeit‘ könne sich die deutsche Autoindustrie nicht mehr leisten.“2

Union kritisiert E-Quote von Schulz. Die SPD hat sich für die Einführung einer Quote für Elektroautos ausgesprochen, die Union lehnt dies ab. Der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) nannte den SPD-Vorstoß eine „schnelle Wahlkampfnummer“, auch Angela Merkel lehnte dies ab. Dagegen befürwortet die Präsidentin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, eine feste Quote auf EU-Ebene. „Zugleich forderte sie in der Rheinischen Post, das Dieselprivileg bei der Mineralölsteuer ‚auf den Prüfstand‘ zu stellen. Dieselfahrer zahlten pro Liter 18,4 Cent weniger als bei Benzin, den Staat koste dies mittlerweile 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, gut dreieinhalb Milliarden davon für die Pkw-Nutzung. Selbst bei Abzug der höheren Kfz-Steuern für Dieselautos seien das rund eineinhalb Milliarden Euro vom Staat für die Selbstzünder pro Jahr. ‚Zum Vergleich: Die Förderung für Elektromobilität beträgt knapp eine Milliarde – aber bis 2020‘, sagte Krautzberger.“3

E-Auto gegen Fossile (2). Michael Kröger verwies in spiegel.de auf den Zusammenhang Dieselskandal und Elektroauto und warnte vor zu hohen Erwartungen in die Elektromobilität. Gleichzeitig werden in Deutschland Forderungen nach Abschaffung der fossilen Antriebsmotoren laut, in Brüssel werden Regelungen geprüft, um den Verbrennungsmotor in Pkws zu beenden, etwa durch Verteuerung. „Diese Bewegung wird durch die Skandale um Abgasmanipulationen befeuert, die Diskussion um die Aussagekraft der bislang üblichen Emissionsmessungen und die Debatte um gesundheitsgefährdende Stickoxide. Fragt man nach der Alternative, dann erntet man nur fragende Blicke: der Elektroantrieb natürlich.“4

Die Nachteile des E-Autos. Gleichzeitig verwies Kröger auf den geringen Anteil der Elektroautos, der in Deutschland trotz der diversen Förderungen unter einem Prozent liegt. Fossil betriebene Fahrzeuge sind, unabhängig vom Hersteller, „universale Mobilitätswerkzeuge“: „Die Technik ist nahezu unverwüstlich, selbst im entferntesten Winkel dieser Welt findet sich im Schadensfall jemand mit genügend Expertise und Zugang zu Ersatzeilen. Vor allem aber ist überall genügend Treibstoff vorhanden, um die Weiterreise zu gewährleisten. Die Tour mit einem E-Mobil erfordert dagegen sorgfältige Planung, wenn man den Aktionsradius einer Akkuladung verlassen will.“4

Schlechte Öko-Bilanz des E-Autos. Dazu kommt die schlechte Ökobilanz über den „CO2-Rucksack“: Bei den Akkus entstehen pro Kilowattstunde bis zu 200 Kilogramm CO2. Bei den heute üblichen Kapazitäten bedeutet dies pro Elektroauto zwischen 3,7 und 20 Tonnen CO2. „Ein moderner Diesel ist bereits 150.000 Kilometer unterwegs, bis dieser Wert erreicht ist.“4

Der schlechte Strom-Mix. Dazu kommt die Frage des deutschen Strommixes, der hier immer noch zu zwei Drittel mit Kohle- und Gaskraftwerken erzeugt wird und pro kWh bei etwa 600 g CO2 liegt. „Umgerechnet auf den Verbrauch eines sparsamen Stromers ergibt das grob gerechnet einen CO2-Ausstoß von gut 100 Gramm pro Kilometer. Ein vergleichbarer Diesel (Transport und Raffinierung mitgerechnet) kommt auf 160 Gramm, ein Benziner bläst gut 200 Gramm CO2 in die Umwelt.“4

Mieses Geschäft mit E-Autos. Deutsche Autobauer halten sich derzeit noch zurück, auch wegen der hohen finanziellen Belastungen durch Elektromobilität. „Pionier Tesla schreibt bislang tiefrote Zahlen, BMW hat mit seiner i-Reihe nach Schätzung von Experten ebenfalls nur Verluste gemacht, auch wenn die Firma offiziell hartnäckig dazu jede Auskunft verweigert. Dasselbe gilt für Daimler mit dem E-Smart.“4

Christian Wüst im Spiegel:
(1): Elektroauto als Zumutung. „Man kann sagen, dass das Elektroauto eine Zumutung ist. Aber  das  traut sich kaum noch jemand. Denn das Elektroauto hat auch einen segensreichen Mangel: keinen Auspuff. Es soll als eine Art ökologischer Rettungswagen dienen, der Ausweg aus der Dieselkrise …“5
(2): „Entzauberung“. „Tesla wird von optimistischen Aktionären getragen, die offenbar damit leben können, dass hier notorisch Verluste gemacht werden. Die bisher verkauften Produkte sind Luxusgüter – und das günstigere Model 3 für den Massenmarkt, das noch in diesem Jahr in den Handel kommen soll, steht kurz vor der Entzauberung: Zum angekündigten Grundpreis von 35.000 Dollar wird der Käufer nur eine abgespeckte Version mit kleinerer Batterie und entsprechend bescheidener Reichweite bekommen. Und auch die wundersamen Reichweiten der teuren Tesla-Modelle werden in einem realistischen Reiseszenario nicht annähernd erzielt.
In der amtlichen Kriechfahrt der Prüfzyklen hat der Elektroantrieb perfekte Bedingungen, um sparsam zu sein. Fernreisen mit heute auf Autobahnen üblichen Geschwindigkeiten zehren die Batterie dagegen im Schnellgang aus. Schon für die Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde braucht ein Pkw bis zu 30 Kilowatt Antriebsleistung. Diese dauerhaft aus dem Akku zu ziehen ist eine Tortur für die Batteriezellen. (…) Die Akkus der großen Tesla-Modelle verfügen zwar über 100 Kilowattstunden Speicherkapazität. In akzeptabler Zeit lassen sich Lithium-Zellen aber nur zu etwa 80 Prozent füllen. Ohne zu großen Nervenkitzel nutzbar bleiben höchstens 75 Kilowattstunden. Bei zügigem Reisetempo dürften also bestenfalls 300 Kilometer zwischen zwei Steckdosen liegen.“5

(3): Grüner Zauber. Die Pläne für Schnellladesysteme mit 350 kW existieren längst (vgl. Porsche Taycan) und werden demnächst umgesetzt. Damit kann eine gehörige Reichweite in 15 bis 20 Minuten geladen werden. „Doch spätestens mit dieser Blitzbetankung wird sich die ökologische Gretchenfrage der batterieelektrischen Verkehrswende mit Nachdruck stellen: Wie grün ist der ganze Zauber eigentlich? Die Wahrheit ist ebenso simpel wie unbequem: Wer sauber sein will, fährt besser Bahn. Motorisierter Individualverkehr ist Energieverschwendung, auch ohne Benzin und Diesel.“5

(4): Verschwendeter Ökostrom. „Ein Rechenbeispiel: 28 Starkstrom-Tanker à la Tesla an den künftigen 350-kW-Säulen würden das Stromnetz so stark belasten wie ein ICE mit 830 Passagieren bei voller Fahrt. (…) Mehr noch: Eine vollständige Umstellung auf Elektro-Pkw würde den Strombedarf in der Bundesrepublik um rund ein Viertel erhöhen. (…) Und das schon gar nicht mit Ökostrom. Als Volk von E-Mobilisten würden die Deutschen einen Großteil der bisherigen Früchte ihrer Energiewende allein mit Stromautos verspeisen. Dabei wäre der Energieverbrauch noch nicht eingerechnet, der in asiatischen Ländern für die Produktion der Batteriezellen entsteht. Und der ist gewaltig.“6
Die europäische Akkuproduktion wird sich übrigens und nicht zufällig in Osteuropa niederlassen – wegen des billigen Kohlestroms!

Fußnoten und Quellen:
  1. Rubel, Bernd, Umweltsau Tesla? in www.mobilegeeks.de 4.7.2017 []
  2. Fahrenholz, Peter, Schulz verlangt Quote für E-Autos, in SZ 11.8.2017 []
  3. AFP, SZ, Unter Strom, in SZ 14.8.2017 []
  4. Kröger, Michael, Die überforderte Zukunft, in spiegel.de 11.8.2017 [] [] [] [] []
  5. Wüst, Christian, Strom-Illusionen, in Der Spiegel 34/19.8.2017 [] [] []
  6. Wüst, Christian, Strom-Illusionen, in Der Spiegel 34/19.8.2017; Hervorhebung WZ []
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