Elektroauto Chronik eines Irrtums

April 2018

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ADAC: Nicht prima fürs Klima. Das IFEU-Institut Heidelberg untersuchte im Auftrag des ADAC die Öko-Bilanz des Elektroautos.
„Dazu gehören drei wichtige Faktoren:
1. Die CO₂-Emissionen, die bei der Fahrzeugherstellung bzw. dem anschließenden Recycling entstehen – was auch der Grund für eine fahrzeugklassenbezogene Auswertung ist.
2. Alle klimarelevanten Emissionen, die bei der Bereit- und Herstellung des Kraftstoffs oder Stroms entstehen – in der Well-to-Tank-Betrachtung, also von der Quelle bis zum Fahrzeugtank.
3. Der direkte CO₂-Ausstoß bei der Fahrzeugnutzung – Tank-to-Wheel, vom Tank bis zum Rad. Berechnungsgrundlage dafür sind CO₂-Werte aus dem ADAC Eco-Test, was auch die Auswahl der Fahrzeuge für die verschiedenen Antriebsarten erklärt. Es sind die Autos, die in ihrer Fahrzeugklasse pro verfügbarer Antriebsart beim Verbrauch am besten abschnitten: bei Elektro z.B. der Kleinwagen BMW i3 oder der Tesla Model X, bei den Dieseln der Mazda 2 oder die Mercedes E-Klasse.“1

Dazu Gerd Stegmeier in Auto, Motor und Sport: „Die aktuelle Diskussion um Fahrverbote für Diesel lässt das Elektroauto als Umweltengel erscheinen, weil es lokal emissionsfrei fährt. Denn Luftschadstoffe wie NOx emittiert das Elektroauto anders als der Diesel beim Betrieb keine. Auch CO2 wird beim Fahren eines Elektroautos nicht unmittelbar freigesetzt – aber bei der Erzeugung der elektrischen Energie, mit der die Batterie geladen wird. Und für den Klimawandel durch Treibhausgase ist es unerheblich, wo auf der Welt CO2 entsteht – am Ende landet es immer da, wo es nicht hin soll: in der Atmosphäre. (…) Strom-Mix und CO2-Aufwand bei der Batterieherstellung führen dazu, dass der Diesel in der oberen Mittelklasse mit 33 Tonnen CO2 auf 150.000 Kilometer das beste Ergebnis vor dem E-Auto mit 41 Tonnen CO2 (geladen mit dem deutschen Strom-Mix), dem Plug-in-Hybrid mit 43 und dem Benziner mit 45 Tonnen erreicht. E-Autos dieser Klasse würden sich nach Einschätzung des ADAC gegenüber dem Benziner unter CO2-Gesichtspunkten nach 116.000 Kilometern rechnen, im Vergleich zum Diesel aber erst nach 580.000, also weit über der angesetzten Gesamtlaufleistung von 150.000 Kilometern. (…) Die Werte für klimarelevante Emissionen, die bei der Strombereitstellung entstehen (WTT Well-to-Tank, von der Quelle bis zum Tank) hat der ADAC vom Umweltbundesamt UBA und hat einen CO2-Wert von 579 g/kWh für den deutschen Strommix für das Jahr 2013 zugrunde gelegt. Für regenerativen Strom wird zum Vergleichszweck ein CO2-Wert von 20 g/kWh angesetzt. Die Stromverbrauchswerte ausgewählter Modelle entstammen dem ADAC EcoTest.“2

Elon Musk macht einen Aprilscherz. Sonntag 1.4.2018: Elon Musk macht einen Aprilscherz und erklärt Tesla für pleite. Er schrieb bei Twitter: „Trotz intensiver Versuche, Geld aufzutreiben, inklusive eines verzweifelten Massenverkaufs von Ostereiern, müssen wir leider mitteilen, dass Tesla komplett und absolut pleite ist. So pleite, man glaubt es gar nicht.“3 – „Tatsächlich klingt der Tweet offensichtlich gaga. Doch herkömmliche Maßstäbe gelten nicht für Elon Musk, der sich mit seinen Aktionen und Ankündigungen regelmäßig im Grenzbereich von Genie und Wahnsinn bewegt. Elon Musks vermeintlicher Spaß fällt in eine Phase, in der sich die Tesla-Anleger tatsächlich um das Unternehmen sorgen. (…) Die Anleger verlieren gerade die Geduld mit Tesla und ließen die Aktie im März um mehr als ein Fünftel fallen. Dazu trug auch ein tödlicher Unfall mit einem Tesla in Kalifornien bei, der sich bei eingeschaltetem Autopilot-Assistenzsystem ereignete. Am Mittwoch lag die Aktie bei 250 US-Dollar, Anfang März hatte die Aktie noch bei 360 Dollar notiert.“3

Bayern kauft Diesel und Benziner. Die Bayerische Staatsregierung wollte den Anteil der Elektro- und Hybridfahrzeuge in ihrem Fuhrpark auf 20 Prozent erhöhen. Wie eine Anfrage von SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher ergab, wurde dieser Anteil völlig verfehlt. „Demnach hat der Freistaat im vergangenen Jahr 1821 neue Dienstfahrzeuge angeschafft, davon waren 47 mit Elektro-Antrieb und weitere 42 mit einem Hybrid-Antrieb ausgestattet, einer Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor. Damit komme der Freistaat auf eine Quote von lediglich 4,89 Prozent.“4

Der elektrische US-Markt. Ford will bis 2022 mit Investitionen von elf Milliarden Dollar 16 reine Elektroautos und 24 Hybridmodelle auf den Markt bringen. Ein „Team Edison“ soll als eine Art Task Force diese Entwicklung leiten. Das erste global erhältliche Model E ist 2020 der CX727 mit 500 Kilometer Reichweite, danach kommt der Crossover Mach 1, ab 2022 kommt eine Schrägheck-Limousine und ein SUV. General Motors wird Elektroautos als Kleinwagen. Mittelklasse und Geländewagen bringen.5 Das Laden wird zum Problem werden: In New York sind bis 2025 nur 50 Power-Charger mit maximal 20 Standplätzen geplant. „Wenn die alle besetzt sind, so behaupten zumindest böse Zungen, dürften ringsum die Lichter ausgehen.“5

E-Lkw ohne Maut? Elektro-Lastwagen sollen laut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ab 2019 von der Lkw-Maut befreit werden, wie er bei der Klausurtagung der Bundesregierung in Meseberg ankündigte. Scheuer: „Dies ist ein großer Anreiz für Transportunternehmen, auf umweltfreundliche Fahrzeuge umzusteigen.“6

China elektrisiert (1): Staats-Batterie. Im chinesischen Shenzen stellt die Batteriefabrik von Build Your Dream (BYD) weitgehend vollautomatisiert mit 48 Arbeitern in zwei Schichten jeden Tag 100.000 Batteriezellen her. Aus 90 dieser Zellen wird dann der Akku hergestellt, der 650 Kilogramm wiegt.7

China elektrisiert (2): Staat verkauft an Staat. In Shenzen wurden alle 16.000 Busse auf Elektroantrieb umgestellt. Ab Ende 2018 sollen alle Taxis elektrifiziert werden. „‚Schaut man sich die Zulassungszahlen der Elektrofahrzeuge in China an, fällt auf, dass etwa 90 Prozent der Autos und Busse von Städten und Gemeinden gekauft worden sind‘, sagt Jochen Siebert, Geschäftsführer der Beratungsfirma JSC Automotive in Shanghai. ‚Die Subventionen werden also zum Großteil vom Staat an den Staat vergeben. Es ist ein großer Verschiebebahnhof.“7

China elektrisiert (3): China als Weltmarktführer. Ab 2019 müssen alle Autokonzerne mit mehr als 30.000 Fahrzeugen Absatz in China für zehn Prozent der verkauften Autos Kreditpunkte sammeln, ab 2020 zwölf Prozent etc. Elektroautos erhalten maximal fünf Punkte, Plug-in-Hybride zwei Punkte. Bis 2025 sollen 20 Prozent aller Neufahrzeuge einen elektrischen Antrieb haben. Das hat auch einen Grund, der wenig mit Umwelt zu tun hat: Bei fossilen Antrieben liegen die westlichen Hersteller vorn: Elektroautos haben aber einen Elektromotor. „Die bislang mechanisch kompliziertesten Teile werden im Elektroauto nicht mehr benötigt. Das ist die große Chance für China, Weltmarktführer zu werden. Und das nicht nur in der Elektromobilität, denn die Autoindustrie steht auch vor einem zweiten großen Umbruch: dem autonomen Fahren.“7

China elektrisiert (4): Autonom fahren, aber chinesisch. Im Sommer 2017 wurde in China das „Cybersicherheitsgesetz“ eingeführt: Alle ausländischen Lieferanten von IT-Produkten für chinesische  Infrastruktur-Einrichtungen werden einer staatlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen und müssen den Sicherheitsbehörden Daten zur Verfügung stellen. „Für Autohersteller bedeutet das: Wer in China autonomes Fahren anbieten will, muss wohl mit den großen Internetkonzernen zusammenarbeiten, mit Baidu, Chinas Suchmaschine, mit Alibaba, dem großen Versandhändler, oder mit Tencent, dem Social-Media-Konzern. Die Konkurrenz aus dem Silicon Valley hat China-Verbot.“7

Audi: „Massenelektrik“. Audi wird die CO2-Ziele der EU-Kommission für 2020 und 2021 klar verfehlen. Als Ausweg bleibt die Produktion von Elektroautos. 2021 sollen davon 200.000 hergestellt werden, wie der (damalige) Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler ankündigte. Die Vorbestellung von wenigen Tausend Audi e-tron kommentierte Stadler: „In einigen Märkten hat der Run auf den e-tron begonnen.“8 Dabei kostet der e-tron mindestens 80.000 Euo. Deshalb sagte Audi-Entwicklungsvorstand Peter Mertens: „Wir sind noch längst nicht so weit, dass das Elektrofahrzeug auf dem gleichen Preisniveau ist wie ein Auto mit Verbrennungsmotor. Das wird auch noch eine Zeit lang dauern.“8

Laden wie der Teufel. Audi und Porsche entwickeln zusammen die Premium Platform Electric (PPE), dazu Batteriezellen, Elektromotoren und das 800-Volt-Betriebssystem. Damit will man auf eine Ladezeit von 20 Minuten kommen für die Erhöhung der Ladung von 20 auf 80 Prozent. „Das wäre wohl auch für viele Vollgaskunden von Porsche akzeptabel. Doch die neu entwickelten 800-Volt-Bauteile sind vergleichsweise teuer. Die hohe Nachfrage nach Teslas Model 3 zeigt ja gerade, dass sich Vorsprung in der Autoindustrie oft genug über die Preise für neue Technologien definiert.“8

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zum Thema „Mehr E-Autos, weniger CO2-Ausstoß“: „100.000 Ladepunkte mehr, unsere Förderprogramme anwenden – ich habe jetzt gerade Bescheide an die Post vergeben, die Polizei in Niedersachsen hat gerade Millionen für Elektro-Streifenwagen bekommen. Und wir stellen Elektro-Lkw ab dem 1. Januar 2019 von der Maut frei.“9

Der Schnelllade-Wahnsinn (1): Ionity. An der Autobahnraststätte Brohltal Ost an der A61 beginnt die neue Ladezeit. Hier startet das neue Unternehmen Ionity sein Schnellladenetz in Deutschland: In dem HPC-Ladepark (High Power Charging) können sechs Elektroautos gleichzeitig mit bis zu 350 Kilowatt geladen werden. Ionity ist ein Joint Venture von Daimler, BMW, Ford, Audi und Porsche. „400 Stationen in ganz Europa sind das Ziel für das Ionity-Netz. An wichtigen Verkehrswegen stünde dann die nötige Infrastruktur bereit, um das Elektroauto langstreckentauglich zu machen. (…) Keines der heute erhältlichen Elektroautos kann die hohe Leistung nutzen. An den superschnellen Ionity-Ladern füllen sich ihre Batterien deutlich langsamer.“10

Der Schnelllade-Wahnsinn (2): AC/DC. Für das Schnellladen sind drei Faktoren bestimmend: die Leistung der Ladesäule, das Bordnetz des Autos und die Batterie. „‚Diese Faktoren limitieren heute die Ladezeit‘, sagt Frank Mühlon, globaler Leiter für Elektroauto-Ladesysteme beim Schweizer Elektro-Konzern ABB. Das schwächste Glied der Lade-Kette bestimmt, wie schnell geladen werden kann.“10
Akkus arbeiten üblicherweise mit Gleichstrom. Die Stromquellen liefern aber Wechselstrom. Zum Laden der Akkus muss der Wechselstrom also in Gleichstrom umgewandelt werden. Falls diese Umwandlung über ein On-Board-Ladegerät im Elektroauto geschieht, das aus Plätz- und Gewichtsgründen meist klein ausfällt, dauert die Ladezeit lang. „Bei einer stationären Ladesäule können die Gleichrichter größer und schwerer sein – aus diesem Grund arbeiten alle Schnellladesäulen mit Gleichstrom, im Gegensatz zu den konventionellen Ladesäulen in Innenstädten und der Wallbox für die heimische Garage.“10

Der Schnelllade-Wahnsinn (3): Von 400 auf 800 Volt. Aktuell haben Elektroautos eine Spannung von 400 Volt. Das ist für die geplanten Schnellladesysteme nicht mehr ausreichennd, wie Frank Mühlon erklärt: „Um mit 350 Kilowatt zu laden, brauche ich 800 Volt.“ – „Leistung besteht immer aus Spannung und Strom. Sprich: Hat ein Auto die doppelte Batteriespannung, kann es auch doppelt so viel Leistung aufnehmen – und somit schneller laden. Doch der Umstieg auf 800 Volt erfordert aufwändigere Komponenten und eine andere Absicherung im Auto, was die Technik derzeit noch teuer macht. Das erste Elektroauto mit einer 800-Volt-Batterie wird der Porsche Mission E sein, der 2019 auf den Markt kommen soll. Vorher wird also keiner die vollen 350 Kilowatt an der Ionity-Station abrufen können.“10

Der Schnelllade-Wahnsinn (4): Kabel und Stecker kühlen. Und falls dann der als „Tesla-Killer“ apostrophierte Porsche Mission E (aktueller Name: Porsche Taycan) mit 800 Volt und 350 kW geladen wird, ergibt sich das nächste Problem: „Die hohe Stromstärke lässt nicht nur die Batterie heiß werden, sondern auch das Kabel. Den Ingenieuren bleiben dann zwei Möglichkeiten: Entweder das Kabel dicker machen (was es aber zu schwer und sperrig macht) oder eine Kühlung – wofür sich die Techniker entschieden haben. Das fest mit der Ladestation verbundene gekühlte Kabel gleicht – überspitzt formuliert – einem Wasserschlauch, durch den das gut isolierte Stromkabel geführt wird. „‚Es reicht nicht aus, Kabel und Steckverbindung mit Wasser zu umspülen‘, sagt ABB-Entwickler Mühlon. Die fest mit der Ladestation verbundenen gekühlten Kabel sind – überspitzt formuliert – ein Wasserschlauch, durch den das gut isolierte Stromkabel geführt wird. ‚Dazu benötigt die Ladestation noch einen Kühler, der bei Wind und Wetter funktionieren muss. Kühlung und Pumpe müssen auch intelligent gesteuert werden, da das Kühlmittel nicht immer dieselbe Temperatur hat‘.“10

Der Schnelllade-Wahnsinn (5): Die Großindustrie verdient. ABB liefert die ABB-Schnelllader, Porsche Engineering die Ladesäulen, der australische Anbieter Tritium die technische Infrastruktur. Und der Strom kommt von E.on und RWE.
Redet hier eigentlich noch jemand vom angeblich so „umweltfreundlichen“ Elektroauto?

  1. Stegmaier, Gerd, Das Elektroauto fährt nicht am CO2-ärmsten, in auto-motor-und-sport.de 23.3.2018 []
  2. Stegmaier, Gerd, Das Elektroauto fährt nicht am CO2-ärmsten, in auto-motor-und-sport.de 23.3.2018; Hervorhebung WZ []
  3. Elon Musk erklärt Tesla via Twitter für pleite, in spiegel.de 2.4.2018 [] []
  4. DPA, Behörden setzen weiter auf Diesel und Benziner, in SZ 3.4.2018 []
  5. Kacher, Georg, Kulturschock für die Cowboys, in SZ 7.4.2018 [] []
  6. E-Lastwagen sollen von Lkw-Maut befreit werden, in spiegel.de 12.4.2018 []
  7. Giesen, Christoph, Hägler, Max, Strittmatter, Kai, Rote Zellen, in SZ 21.4.2018 [] [] [] []
  8. Becker, Joachim, Der neue Patron, in SZ 21.4.2018 [] [] []
  9. Gathmann, Florian, Traufetter, Gerald, „Verbote sind für mich kein Politikstil“, in spiegel.de 26.4.2018 []
  10. Schaal, Sebastian, Jetzt kommen die Superlader, in wiwo.de 27.4.2018 [] [] [] [] []
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