Elektroauto Chronik eines Irrtums

Juli 2016

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Tesla Model 3: 325.000 Interessenten in einer Woche. In einer Woche hat Tesla weltweit 325.000 Kaufinteressenten gefunden, die 1000 Dollar für das Tesla Model 3 als Anzahlung überwiesen. BMW hat zum Vergleich von seinem Modell i3 im Jahr 2015 nicht mehr als 30.000 absetzen können. Aber Teslas „Erfolg“ ist teuer erkauft. „Noch im April sagte Dieter Zetsche: ‚Bislang hat noch kein Hersteller auch nur einen Cent mit Elektroautos verdient.‘ Und Experten in Wolfsburg haben ausgerechnet, dass Tesla bislang bei jedem Auto bis zu 20.000 Dollar drauflegt.“1

Die Plug-in-Mär. Die deutschen Autobauer wollen natürlich, dass die Kaufprämie (vulgo „Umweltprämie“) möglichst auch deutschen Elektroauto-Modellen zugute kommt. Nur gibt es die derzeit noch kaum. „Ihr Rezept: Sie rüsten ihre bisherigen E-Autos mit neuen, leistungsfähigeren Akkus aus, vor allem aber setzen sie massiv auf Plug-in-Hybride. Fast in jeder Modellreihe – von der Golf-Klasse aufwärts – kann der Kunde solche Antriebs-Zwitter ordern, die zwischen 30 und 50 Kilometer elektrisch fahren können. Der Haken: Diese Plug-ins erzielen im offiziellen EU-Fahrzyklus zwar tolle Verbrauchswerte von zwei bis drei Litern. Wer aber nicht ständig zur Steckdose fährt, kommt im Alltag in der Regel auf einen Verbrauch von sechs bis zehn Litern. Egal, wenn ein Plug-in-Hybrid weniger als 60.000 Euro kostet, kann der Kunde ab sofort die 3000 Euro Zuschuss beantragen.“1

Deutschland immer noch unterelektrifiziert. „Vergangenes Jahr entschieden sich von 3,2 Millionen Neuwagenkäufern hierzulande exakt 12.363 für reine E-Autos und 11.101 für Plug-in-Hybride – zusammen weniger als ein Prozent aller Zulassungen. Ähnlich trist das Bild in den ersten fünf Monaten dieses Jahres: 3542 E-Autos und 5259 Plug-ins stehen 1,4 Millionen Benziner und Diesel gegenüber.“1

Erster offizieller Tesla-Toter. Bei einem Unfall mit einem Tesla in Florida starb der Fahrer, der dachte, mithilfe der Funktion des „Autopiloten“ autonom fahren zu können. „Das Problem von Tesla ist: Das Unternehmen überschätzt sich und seine Fähigkeiten; und die Kunden überschätzen deshalb, was die Autos tatsächlich leisten können. Der Fahrer, der in Florida starb, glaubte offenbar, er sitze in einem vollkommen autonom fahrenden Auto. Das aber gibt es noch nicht, jedenfalls nicht in Serienreife.“2 – Ein Bericht der Ermittlungsbehörde NTSB hielt fest, „wonach bei dem ersten tödlichen Unfall mit einem selbstfahrenden Auto aus dem Hause Tesla auch die hohe Geschwindigkeit eine Rolle gespielt hat. Der Tesla fuhr mit Tempo 119, obwohl nur 105 Kilometer pro Stunde erlaubt waren. Ein Autopilot im Geschwindigkeitsrausch – keine guten Nachrichten für Elon Musk.“3
Vergleiche dazu: Tesla-Unfälle

München rudert zurück. München hatte im April 2016 den Zuschuss von 4000 Euro für neue Elektroautos im Stadtgebiet eingeführt. Der soll nun durch den Staatszuschuss entfallen: „Seit Anfang Juli kann jeder Bürger beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) einen Antrag auf Förderung stellen und sich so 4000 Euro Zuschuss für ein rein Batterie-elektrisches Auto sichern; für ein Fahrzeug mit Plug-in-Hybrid gibt es 3000 Euro. Das Geld fließt jeweils zur Hälfte aus der Kasse des Bundes sowie des jeweiligen Herstellers. In seinem Münchner Förderprogramm hatte der Stadtrat eine Doppelförderung explizit ausgeschlossen. (…) Deshalb wird die Stadt voraussichtlich ihr Programm zumindest für die Grundförderung von vierrädrigen Elektroautos stoppen. Antragsteller werden dann auf den Bund verwiesen.“4
Dazu kommentierte Frank Müller in der SZ: „Selbstverständlich muss es vermieden werden, dass derjenige, der sich ein E-Auto anschafft von Stadt und Staat zweimal Geld für dieselbe Investition bekommt. Wenn das städtische Programm nun aber darauf zurückgestutzt wird, dass am Ende vielleicht ein paar Dutzend Ladesäulen und einige geförderte Elektroradl stehen, dann bleibt München unter seinen Möglichkeiten.“5

Mobilfunk im Elektroauto. Der Halbleiterkonzern Infineon erwirbt den Chipspezialisten Wolfspeed vom amerikanischen LED-Hersteller Cree für 850 Millionen Dollar. Damit stärkt Infineon mit dem Kauf eines US-Chipherstellers seine Position als Zulieferer für Elektro-Autos und den Mobilfunk. (…) Mit der Expertise und den Anlagen von Wolfspeed könnten etwa kleinere und effizientere Ladegeräte für Elektro-Autos gebaut werden.“6

E-Lkws von Daimler. Im Juli 2016 kündigte Elon Musk an, Elektro-Lkws zu bauen. Daimler-Truck-Chef Wolfgang Bernhard kündigte für das kommende Jahrzehnt einen mittelschweren E-Lkw mit 26 Tonnen und bis zu 200 Kilometer Reichweite an, den „Urban E-Truck“. Mit diesem Lkw-Konzept sollen herkömmliche Lkw das Frachtgut am Stadtrand bringen, wo es dann auf Elektro-Lkws verteilt wird.7 „Erste Anfragen von Supermarktketten gibt es bereits. Sie könnten den Elektrolaster im städtischen Verteilerverkehr einsetzen, bei dem die Waren vom Lager zu den einzelnen Geschäften gebracht werden. Wolfgang Bernhard, der Chef von Daimlers Lastwagensparte, gesteht: ‚Vor ein, zwei Jahren habe ich noch gesagt: Das funktioniert nie.‘ Nun will er den E-Laster 2020 auf den Markt bringen. (…) Mittlerweile übertrifft die Entwicklung der Batterietechnik ‚meine kühnsten Erwartungen‘, sagt Bernhard. Er rechnet damit, dass die Kosten weiter sinken. Gleichzeitig steigt deren Leistungsfähigkeit. Daimler entwickelt deshalb einen Transporter, einen Kleinlaster, Busse und den 26-Tonner mit Elektroantrieb. (…) Die schweren Lkw, die lange Touren auf Autobahnen zurücklegen, werden weiterhin von Dieselmotoren angetrieben. Das sind 90 Prozent.“8

StreetScooter. Die Deutsche Post möchte ihren Fuhrpark in Deutschland auf Elektromobilität umstellen. „Der Konzern hat einen eigenen Elektro-Transporter namens Streetcooter entwickelt, der nun auch in Bochum in der Zustellung an den Start geht. Bis Ende des Jahres sollen insgesamt 65 Street-Scooter durch die Ruhrgebietsstadt kurven, wodurch pro Jahr künftig rund 195 Tonnen des Klimagases CO2 eingespart werden sollen.“9
Vergleiche: StreetScooter

  1. Lamparter, Dietmar H., Wer holt Tesla ein? in Die Zeit 7.7.2016 [] [] []
  2. Schäfer, Ulrich, Cool und lebensgefährlich, in SZ 8.7.2016 []
  3. Fromm, Thomas, Ab in die Wüste, in SZ 28.7.2016 []
  4. Völklein, Marco, Stadt dampft Zuschüsse für Kauf von E-Autos ein, in SZ 12.7.2016 []
  5. Müller, Frank, Fatales Bremssignal, in SZ 12.7.2016 []
  6. Reuters, E-Autos im Visier, in SZ 15.7.2016 []
  7. Fromm, Thomas, Hägler, Max, Summende Riesen, in SZ 28.7.2016 []
  8. Hage, Simon, Hawranek, Dietmar, Der Elektro-Schock, in Der Spiegel 4/21.1.2017 []
  9. Reuters, Post setzt auf E-Autos, in SZ 29.7.2016 []
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