Elektroauto Chronik eines Irrtums

Februar 2011

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Geschönte Zahlen. Die Verbrauchsangaben der Elektroautos in kWh sind nicht realitätsnah, genauso wenig wie die Angaben nach NEFZ bei fossil betriebenen Pkw. Auch die Reichweiten der Elektroautos werden so großzügig wie unrealistisch angegeben. Autoexperte Willi Diez hält die werksseitig angegeben 150 Kilometern für den Mitsubishi iMiEV und die baugleichen iON und C-Zero für Laborwerte und in der Realität für deutlich geringer, da Hitze und Kälte Akkuleistung für Klimaanlage und Heizung kosten, genauso wie starke Beschleunigung. „Mitsubishi gibt für Fahren im Stadtverkehr lediglich 100 Kilometer Reichweite für den iMiEV an, bei Minusgraden sind es nur noch 80. Erste Praxistests von Autozeitschriften bestätigen diese Werte.“1

Akku-Lebensdauer. Einige Elektroauto-Hersteller avisieren eine Akku-Lebensdauer von rund 1500 Ladezyklen und damit etwa zehn Jahre Funktionsfähigkeit. Noch fehlen Langzeit- und Erfahrungswerte. Willi Diez: „Was die Lebensdauer der Akkus angeht, gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen sagen, sie schaffen 80.000 Kilometer, andere halten 200.000 für möglich.‘“2 Für Diez ist eine Lebenszeit der Akkus von zehn Jahren unwahrscheinlich. „Wer sich jetzt ein E-Auto kauft, weiß also nicht, ob er den Akku innerhalb der nächsten zehn Jahre ersetzen muss.“2

Akku-Probleme (1). Die Lithium-Ionen-Akkus haben derzeit die höchste Energiedichte; allerdings wurden sie ursprünglich in Mobiltelefonen und Digitalkameras eingesetzt. Dort können sie Probleme bereiten. Lithium-Ionen-Akkus in Elektroautos, wie von Tesla  eingesetzt, können in Brand geraten und werden schwer und teuer. „Als Problem kommt im Alltagsbetrieb ihre Anfälligkeit gegen Temperaturschwankungen hinzu. Akkus arbeiten am besten bei Temperaturen zwischen 15 und 40 Grad. Frost und Hitze fressen Energie. Viel Strom kostet auch starke Beschleunigung, genauso wie das Zuschalten von Heizung und Klimaanlage. Auf Schnickschnack wie elektrische Fensterheber oder beheizbare Scheiben verzichten Elektroautobesitzer am besten ganz.“3

Akku-Probleme (2). Die Aufladezeiten der Akkus werden von den Elektroauto-Herstellern meist mit sechs bis acht Stunden angegeben. „Alle Angaben gelten für Optimalbedingungen. Heizt man mit dem Elektroauto bei Minusgraden über die Autobahn, kommt man sicher keine 60 Kilometer weit. Die Stromspeicher wiegen etwa 200 Kilogramm und kosten um die 12.000 Euro. Langlebigere Akkus, die ungefähr zehn Jahre halten und nicht mehr in Brand geraten können, befinden sich noch im Stadium der Forschung und Erprobung.“3

Zur CO2-Bilanz. Mit „Null CO2-Emissionen“ werben die Autohersteller für ihre Elektroautos – bis heute, Stand April 2019. Das war 2011 so falsch wie heute. Beim deutschen Strommix 2019 entstehen pro kWh rund 500 Gramm CO2. „Und die Art des Kraftwerks entscheidet, wie klimafreundlich ein Elektroauto ist. Das zeigt eine simple Rechnung: In der Stadt kommt der iMiEV mit seinem 16-Kilowattstunden-Akku weniger als 100 Kilometer weit. Noch schlechtere Werte haben E-Smart und E-Mini in Großstadt-Tests. Mit dem derzeitigen Strommix Deutschlands (17 Prozent Erneuerbare, 57 Prozent Fossile) verursacht der iMiEV pro Kilometer 92 Gramm CO2, E-Mini und E-Smart sogar weit über 100. Das sind Werte, die moderne Spar-Diesel und Hybrid-Autos auch erreichen oder gar unterbieten.“2
Deshalb heißt die Lösung: Öko-Strom – nur so lässt sich die CO2-Bilanz des Elektroautos einigermaßen schön rechnen.

„Grüner Strom“. Damit werben RWE und Vattenfall für ihre Ladesäulen für Elektroautos. „RWE und Vattenfall werben zwar damit, dass aus ihren Säulen ‚grüner Strom‘ fließt. Tatsächlich aber stammt der Löwenanteil des RWE-Stroms aus Kohlekraftwerken und produziert 800 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Vattenfall-Strom ist mit 1020 Gramm CO2 noch schlechter. Wer sein E-Auto an einer RWE- oder Vattenfall-Säule lädt, kann also auch gleich Benziner fahren. Weil die meisten Nutzer aber darauf nicht achten werden, hängt die durchschnittliche CO2-Bilanz der E-Autos vom deutschen Strommix ab, sagt Wolfgang Lohbeck.‘ (…) Fazit: Elektroautos sind nur klimafreundlich, wenn sie mit zertifiziertem Ökostrom fahren.“2 Deshalb kommt Greenpeace-Autoexperte Wolfgang Lohbeck zu dem Fazit: „Elektroautos sind keine CO2-Sparer.“2
Das muss im Jahr 2019 noch  differenzierter als 2011 betrachtet werden, weil zum Beispiel die für Elektromobilität nötige völlig neue Elektro-Infrastruktur (tausende Kilometer dicke Versorgungsleitungen, Umspannwerke und -verluste etc.) in keine Energie- und CO2-Bilanz eingehen. Und weil Ökostrom nicht grenzenlos zur Verfügung steht und gravierende ökologische Schäden – Landschaftsverbrauch, Schäden an Fauna und Flora, Ästhetik – verursacht.

Benachteiligung der Bahn. In der Öffentlichkeit versteht man unter E-Mobilität Elektroautos: Das ist von Staat und Autoindustrie gewollt. Dabei gibt  es seit Jahrzehnten elektrische Verkehrsmittel wie Fernverkehr- und Nahverkehrszüge, S-Bahnen. Trambahnen etc. Gefördert wird derzeit die Elektromobilität durch Elektroautos. „Von den 500 Millionen öffentlichen Fördergeldern bekommt die Bahn nichts. Dabei sind Bahnen die Elektroverkehrsmittel schlechthin. Seit ziemlich genau einhundert Jahren gibt es in Deutschland Loks, die mit Strom fahren, heute werden 90 Prozent aller Verkehrsleistungen auf der Schiene elektrisch erbracht. Wegen des hohen Anteils der Elektromobilität wird die Bahn allerdings als einziges Verkehrsmittel mehrfach durch Klimaschutzabgaben belastet: Sie muss sich am Emissionshandel beteiligen und Ökosteuern zahlen – 1,3 Milliarden Euro seit 1999.“4

Kein Akku-Recycling? „Bis heute ist beispielsweise ungeklärt, was mit den Batterien und ihren giftigen Bestandteilen am Ende ihrer Lebensdauer geschehen soll – ein Entsorgungskonzept gibt es nicht. Noch gravierender für die Öko-Bilanz der E-Mobile: Fast 60 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms stammen aus fossilen Kraftwerken – und wer diesen Strom tankt, fährt danach kein klimafreundliches Auto mehr.“5

Politische Dienstwagen. „CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer (Dienstwagen BMW 740d) erklärt die Stromer zu einem ‚der wichtigsten Projekte dieser Legislaturperiode‘. FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (Dienstwagen Mercedes Benz E220 CDI) spricht von einer ‚Schlüsseltechnologie für den Standort Deutschland‘. Und für Angela Merkel (aus Sicherheitsgründen gepanzerte, schwere Dienstlimousine) geht es um eine ‚nationale Aufgabe‘.“6

EADS-Verkauf gegen E-Autos. Daimler möchte die Hälfte seiner 15 Prozent Anteil am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS dem Bund anbieten; Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) möchten Daimler bewegen, die Anteile zu behalten. Angeblich wurde Daimler als Gegenleistung eine staatliche Verkaufsprämie für Elektroautos versprochen. „Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums verwies allerdings darauf, dass sich Minister Brüderle wiederholt gegen Verkaufsprämien für Elektroautos ausgesprochen habe. Der Bund fördere Forschung und Entwicklung der Elektromobilität bereits mit einer halben Milliarde Euro.“7

BMW „Born electric“. BMW plant mit dem Kleinwagen i3 und dem Sportwagen i8 ein Elektroauto mit Carbonkarrosserie. Der teure und energieintensive Werkstoff Carbon wird im US-Bundesstaat Washington produziert und in Wackersdorf und Landshut, in Leipzig und München verarbeitet. Carbon soll – für die schweren Batterien – eine Gewichtseinsparung bringen; er kostet aber 10- bis 15-mal so viel wie Stahl.
„Der BMW i3, der bislang unter dem Projektnamen Megacity Vehicle firmierte, soll das erste reine Elektroauto bei BMW sein und 2013 auf den Markt kommen. (…) BMW hatte schon 2009 mit SGL Carbon ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, um mit der Produktion von Leichtbaumaterialien zu beginnen. An SGL Carbon und BMW ist die Quandt-Erbin Susanne Klatten beteiligt. (…) Sowohl der BMW i3 als auch der i8 sollen im Werk Leipzig gebaut werden – dafür will das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren etwa 400 Millionen Euro in neue Gebäude und Anlagen investieren und 800 zusätzliche Jobs schaffen.“8

Genfer Autosalon: Elektrische Ernüchterung. Irrationale Elektro-Euphorie: Auch das Flagschiff der BMW-Tochter Rolls Royce, der Phantom, wurde auf dem Genfer Autosalon 2011 in einer Elektro-Version 102 EX gezeigt. „Direkt hinter dem Messestand von Rolls-Royce übrigens befindet sich der ‚Pavillion Vert‘ des Autosalons, sozusagen das Reservat der wirklich alternativen Fahrzeuge. Dort stehen unter anderem Elektrofahrzeuge mit Namen Green-Tech GT1, Weez, Tilter, NR-1 oder Softcar Upgo, die von einem wirklich neuen Herangehen an das Thema Automobil künden. (…) In den großen Hallen bei den Platzhirschen der Branche ist die noch vor zwei Jahren herrschende Elektro-Euphorie einer nüchternen Skepsis gewichen. Es dauert eben sehr, sehr lange, bis wirklich brauchbare Elektroautos auf den Markt kommen – umso mehr, als die Entwicklung im Bereich der Batterien nur sehr langsam vorangeht. Und dann besteht ja immer noch das Problem der Stromerzeugung; in Deutschland etwa bedeutet derzeit jede erzeugte Kilowattstunde einen Ausstoß von knapp 600 Gramm CO2. Ohne den drastischen Ausbau der regenerativen Energiegewinnung führte das Elektroauto also von vornherein in eine Sackgasse.“9

  1. Lubbadeh, Jens, Niemann, Christoph, Wie weit fährt ein E-Auto? in Greenpeace-Magazin 2/2011; Diez arbeitet am Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen; WZ []
  2. Lubbadeh, Jens, Niemann, Christoph, Wie weit fährt ein E-Auto? in Greenpeace-Magazin 2/2011 [] [] [] [] []
  3. Linnert, Uta, Brandgefährlich: Elektrobatterien, in fairkehr 2/2011 [] []
  4. Linnert, Uta, Grüne Bahn hat Zukunft, in fairkehr 2/2011 []
  5. Loot, Michael, Auf holpriger Strecke, in fairkehr 2/2011 []
  6. Gersmann, Hanna, Ein Auto ist ein Auto, ist ein Auto, in fairkehr 2/2011 []
  7. Deckstein, Dagmar, Flottau, Jens, Bund ködert Daimler mit Zuschüssen, in SZ 21.2.2011 []
  8. Fromm, Thomas, Die große Marketingschlacht, in SZ 22.2.2011 []
  9. Pander, Jürgen, Grüner wird’s noch nicht, in spiegel.de 28.2.2011 []
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